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Was ist Wahrnehmung, Wie entsteht Bewusstsein, Was ist Identität ?

Was ist Wahrnehmung, wie entsteht Bewusstsein, was ist Identität ?


Im Vorgang der „Wahrnehmung“ werden Informationen nicht nur aufgenommen sondern auch mit bereits bestehenden Informationen/Erfahrungen (Gedächtnis) verglichen.
Somit ist die Wahrnehmung ein wichtiger Bestandteil von „Informationsverarbeitung“.
„Wahrnehmung“ ist in einem erweiterten Sinne ein Teil des „Denkens“.
Alle Informationen werden im Vorgang der „Wahrnehmung“ ständig neu verknüpft und damit ein ständig aktualisierter Gesamteindruck unserer Situation ermöglicht.
Durch die immense Rechenleistung des Großhirns, seiner Lernfähigkeit, seiner Erinnerungsfähigkeit und seiner neuronalen Verknüpftheit mit allen subkortikalen Teilen, wird beim Menschen eine sehr komplexe Zusammenschau möglich. Dies wird als „Bewusstsein“ bezeichnet.
Das „Bewusstsein seiner selbst“, der Eindruck von Identität und die Fähigkeit zur Reflexion (als ein überdenken von Information), entsteht auf der Basis dieses komplexen Prozesses der Informationsverschaltung, genannt Wahrnehmung.
Auf dieser dreidimensionalen hochkomplexen neuronalen Verschaltung (s.a. Antonio Damasios Konvergenzzonen) gründet auch die Vorstellungsfähigkeit.
Auf der Basis dieser enormen Rechenleistung ist es dem Menschen möglich, die Reaktionen der schnellen emotionalen Schaltkreise zu „überdenken“.
Im permanenten Prozess der Wahrnehmungsbildung liegt zunächst ein Grobeindruck (Säugetierwahrnehmung) vor, der die Grundlage für eine erste subkortikale und damit schnelle emotionale Reaktion bildet. Es kann sein, dass diese Säugetierwahrnehmung – basierend auf dem Säugetiergehirn – nicht Teil einer weiteren Informationsintegration wird, nicht ins Bewusstsein dringt und dann  auch nicht überdacht werden kann. In diesem Fall ist ein Mensch emotional ferngesteuert. Dies kann zwar als umweltangepasst betrachtet werden, nicht aber als bewusst gesteuert oder überdacht/durchdacht.
Da „Emotionen“ als körperliche Bewegtheit ebenfalls „Informationen“ darstellen, die der Schaltzentrale Gehirn zurückgemeldet werden – wie die Informationen aus den anderen Sinneskanälen – ist es mit etwas Übung möglich, seine eigene subkortikale emotionale Reaktion auch durch das veränderte muskuläre Zustandsbild des Körpers zu identifizieren (neben dem eigenen beobachtbaren Verhalten).
So wird es Menschen möglich, das Verhalten bewusster zu steuern, statt nur ein Getriebener einer emotionalen Reaktion von z.B. Wut oder Angst, zu sein! Dadurch ist dem Menschen eine Kultivierung und Flexibilisierung der subkortikalen emotionalen Reaktionen möglich.
Die Wahrnehmung des eigenen Körpers kann uns außerdem zum Eindruck führen „ich fühle also bin ich“. Wir können uns selbst beim Denken wahrnehmen und sagen „ich denke also bin ich“. Das Anzapfen aller Erinnerungen kann uns sagen lassen: „das ist meine Geschichte und deshalb habe ich Vorlieben, Stärken und Schwächen und so bin ich“.
Mit der Abbildungs- und Repräsentationsfähigkeit des gesamten Gehirns werden alle Informationen gleichzeitig darstellbar und können so ein momentanes und hochkomplexes Bewusstsein unserer Selbst bilden, also von uns selbst als körperliche und denkende Wesen mit einer Geschichte.
Alles gleichzeitig, durch den Prozess der Wahrnehmung verschaltet – spürbar und abstrakt – in einem einzigen Augenblick.
So entsteht Bewusstsein und so entsteht Identität nicht nur als „ich denke also bin ich“ sondern auch „ich bin ein Körper und kann mich spüren also bin ich“.

Die Evolution der Emotionen

Die Evolution der Emotionen

Ist der Mensch etwas Besonderes? Was bezeichnen wir als „Liebe“?

Im Vergleich zu anderen Säugetieren ist beim Menschen das Großhirn immens vergrößert. Die anderen Bausteine des Gehirns sind ähnlich. Deshalb kann man sagen, dass sich das menschliche Gehirn auf einem Säugetiergehirn aufbaut und dieses auf dem noch einfacheren Reptiliengehirn bzw. Stammhirn gründet. Wieso sollte also das menschliche Fühlen so unterschiedlich sein wie das von Säugetieren? Tatsächlich ist es das nicht.
Betrachtet einmal das folgende Video:

Eine kleine Gruppe von Schweinen und wie sie plötzlich entspannen, als ein artfremdes Lebewesen sich ihrer Familie anschließt;).
Wie ist das möglich und was verbindet Mensch und Schwein?
Für Lebewesen, die in Gruppen leben, ist die Entspannung von überragender Bedeutung, da Regeneration und Ruhe überlebenswichtig sind. Wenn Lebewesen zu häufig angespannt und in Unruhe versetzt werden, so müssen sie um ein Vielfaches mehr Nahrung aufnehmen und die muss aber erst einmal beschafft werden. Es ist für Lebewesen ein Überlebensvorteil, in einem Schwarm geschützt zu sein, der mit ansteckender Angst reagiert. Noch effektiver als das sind Zeiten für Regeneration und Ruhe, um einen Ausgleich zu bieten im Kampf des Überlebens. Mit den Säugetieren betritt die Freude die Bühne der Evolution und tritt ihren Siegeszug an. So kommt es, dass sogar artfremde Säugetiere untereinander eine Wohlfühl- und Entspannungsatmosphäre erreichen können.
Freude kann man definieren als körperlichen Zustand der muskulären Entspannung, so dass eine größere Beweglichkeit entsteht. Dadurch verbinden sich mit dieser Gestimmtheit auch die Leichtigkeit und die Möglichkeit, spielerisch etwas auszuprobieren. Indem Ältere und Stärkere die Wache und den Schutz übernehmen, können viele andere und vor allem die Jungtiere Kräfte sparen, da sie nur seltener in die Überlebensreaktionen Angst und Wut versetzt werden. Stattdessen haben sie Kräfte frei, um herumzuprobieren bzw. herumzuspielen. So entsteht die Kinderstube und der Kindergarten von in Rudeln lebenden Tieren und das ist die Geburtstunde auch von Lernen und Weiterentwicklung.
Warum wurden die Dinosaurier von den Säugetieren verdrängt? Vermutlich war der Meteoriteneinschlag nur ein Beschleunigungsfaktor in der Verdrängung der Dinosaurier. Die Säugetiere waren eventuell effektiver durch ihre emotionale Ausstattung, da neben Beschleunigung (Wut und Angst) durch eine evolutionäre Weiterentwicklung außerdem Entschleunigung und Kräftesparen (Freude und Traurigkeit) durch einen Gruppenzusammenhalt entstehen konnten.
Natürlich ist die Freude eines Delfins nicht so eindrücklich wie die überschwängliche Freude eines Menschen, der sich seiner Freude auch noch bewusst sein kann und damit in der Lage ist, diese auch noch ausdrücklich zu zelebrieren. Trotzdem kann man den Wildschweinen des Videos grundlegende Aspekte der Freude nicht absprechen, nämlich Entspannung und Beweglichkeit. Beim Menschen wird aus der Freude noch viel mehr als das. Sie wird zum Belohnungsgefühl schlechthin und sogar zum Sinnesorgan für Wert-Schätzung. Aber auch die anderen Emotionen werden beim Menschen in ihren Bedeutungen immens erweitert.
Die  Angst bildet die körperliche Grundlage von Achtsamkeit, Vorsicht und Sensibilität und das findet sich auch bereits bei unseren Säugetierverwandten. Vorsicht und auch erhöhte Achtsamkeit auf die Gruppenmitglieder sind ganz klar ein Überlebensvorteil, da dadurch die Sorge und die Fürsorge füreinander entstehen. Die „Achtsamkeit“, wie sie von Psychotherapeuten verstanden wird, ist nichts anderes wie eine gedankliche Überformung einer erhöhten Sensibilität und diese erfordert wiederum eine körperliche Gestimmtheit. Diese Gestimmtheit ist die so negativ bewertete Angst.
Was haben uns Traurigkeit und Wehklagen zu bieten?
Es erfordert eine Zeit auch des Abschieds und des Innehaltens, wenn ein Gruppenmitglied nicht so einfach ersetzt werden kann und dieses in seiner Funktion nun fehlt. Die Traurigkeit bietet Entschleunigung. Sie betont das Brauchen und ermöglicht mit der Vorstellungsfähigkeit zusammen die Sehnsucht. Das traurige Mitfühlen lässt eine große Nähe entstehen und stärkt den Zusammenhalt.
Je größer die Gehirnleistung eines Lebewesens ist, umso ausgefeilter und spezifischer sind die Interaktionen bzw. Bezugnahmen dieses Lebewesen mit anderen seiner Art. Da beim Menschen die Gehirnleistung immens vergrößert ist, ermöglichte das eine bessere Kommunikation bzw. ein besseres Eingehen aufeinander. Der Überlebensvorteil von Informationsaustausch liegt auf der Hand, denn man konnte so z.B. neue Jagdtechniken absprechen und auch gemeinsam nachdenken. Ein gemeinsames Nachdenken wirkt wie die Zusammenschaltung von Computern, die gemeinsam eine höhere Systemleistung erreichen. Als es in der Evolution nun also bereits die Säugetiere gab und die Freude und auch die ersten Spuren der Traurigkeit angelegt waren und die Lebewesen sich in Gruppen organisierten, so war der Affe dazu bestimmt, die Möglichkeiten der Kommunikation weiter auszutesten. Die Basis dafür aber war es, daß es Raum und Zeit für Kommunikation gab.  Dieser Spielraum entstand durch den Gruppeneffekt von Arbeitsteilung und einen Zustand von Entspannung bzw. Freude, der die nötige Regeneration ermöglichte, um Energie zu sparen. Auch die Traurigkeit ermöglicht Entschleunigung und Bedächtigkeit.
Wenn heutzutage Menschen in Firmen vom persönlichem Austausch untereinander oder auch mit Familie und Freunden abgehalten werden und nur noch die Bedürfnisse der Firma zählen, so wird damit der Mensch seiner größten Energiequelle beraubt. Der Kraft durch Freude an Beziehungen. Wenn Freiräume radikal beschnitten werden und ständig misstrauisch gefragt wird, was denn den Arbeiter zu noch mehr Arbeitsleistung motiviere, so gibt es das nicht mehr, was in der Natur des Menschen liegt. Die Natur des Menschen ist vor allem seine erhöhte Gehirnleistung und die Freude an unbeschwerter Informationsaufnahme durch einen freien Austausch von Gedanken und Gefühlen und eine wertschätzende Anteilnahme.

Aber zurück zur Evolution: Warum der Affe?
Dass sich die Affen weiterentwickeln konnten, liegt sicherlich daran, dass sie differenzierte Greifwerkzeuge hatten, die sie im Gesichtsfeld bewegen konnten. Damit ließ sich hervorragend herumprobieren. Es überlebten schließlich immer mehr die Varianten von Affen bzw. Vor-Menschen, die besser kommunizierten und auch im Gruppenzusammenhalt und der Rollenaufteilung effektiver waren. Dadurch entstanden Frei-Räume und Frei-Zeiten für Experimente. Ein gewachsenes Gehirnvolumen brachte die wichtigste Fähigkeit hervor, die uns Menschen nun deutlich gegenüber unseren Säugetierverwandten auszeichnet. Es ist die Vorstellungsfähigkeit. Sie entsteht zum einen durch die komplexe Vernetztheit aller Gehirnteile, so dass Informationen verknüpft werden können und zum anderen durch einen immens gewachsenen Arbeitsspeicher. Beides zusammen ergibt ein 3D-Theater in unserem Kopf, das wir gezielt aufrufen können, um vor unserem inneren Auge eine beliebige Welt zu erschaffen und diese auch noch in Bewegung zu versetzen. Mit der immens gewachsenen Vorstellungsfähigkeit entstand auch die Möglichkeit, uns vorzustellen, wie es einem anderen Menschen gerade gehen mag, wenn er wütend, ängstlich, traurig oder freudig ist. Wir müssen uns nur in seine Situation versetzen und uns erinnern, wie wir eine ähnliche Situation erlebt haben. Wie kommt es dazu, dass wir uns in einen anderen Menschen versetzen können? Das Vorliegen sogenannter Spiegelneurone ist nur ein Detail der Vielfalt unseres Gehirns, durch die das möglich wird. Die Verbesserung der Datenspeicherung ermöglichte Erfahrungsaufbau und die so wichtige Fähigkeit, Vergleiche anzustellen. Durch das 3D-Vorstellungsvermögen und abgespeicherte Erfahrungen entstand so die Möglichkeit, das nachzuvollziehen und außerdem mit unseren Erinnerungen zu vergleichen, was ein anderes Wesen an Gedanken und Gefühlen zeigt. Mit der Mimik wurde es möglich, direkt sichtbar und schnell darüber zu informieren, in welcher Verfassung man gerade ist. So macht es vor allem Sinn, darüber zu informieren, ob es Grund gibt, entspannt zu sein (Freude), ob eine Gefahr besteht, die unserer erhöhten Achtsamkeit bedarf (Angst), ob es einen Bedarf an Aufregung und Veränderung gibt (Wut) oder ob es darum geht zu entschleunigen, innezuhalten, bedächtig zu werden und den Mut zur Schwere aufzubringen (Traurigkeit). Außerdem können wir darüber informieren, ob etwas neu ist (Überraschung), etwas biologisch ungenießbar (Ekel) oder jemandes Verhalten sozial ungenießbar ist (Abscheu) und viele weitere Details. Die Mimik zeigt aber vor allem einen körperlichen Zustand eines Gruppenmitglieds an und diese Information wird an die Gruppe gegeben. Entweder werden andere Gruppenmitglieder direkt von einer Emotion angesteckt oder sie überprüfen erst noch einmal, ob es einen Grund gibt, ängstlich, wütend, freudig oder traurig zu sein.
Die emotionale „Bewegtheit“ besteht in einem körperlichen Grundprogramm, das vor allem in einer muskulären Veränderung besteht, so dass wir je nach Erfordernis angespannt, entspannt, erschlafft, ruhig oder aufgeregt werden und uns klein (Angst) oder groß (Wut) machen, erschlaffen und uns erweichen lassen (Traurigkeit) oder entschlossen und hart werden, um etwas zu verändern (Wut).
Es ist sehr logisch, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Grundzuständen geben kann, die geteilt werden können. Die Ausstattung mit den großen vier Bewegtheiten ist bereits bei Säugetieren höchst erfolgreich und beim Menschen bekommt jeder der Grundzustände Freude, Traurigkeit, Angst und Wut vertiefte Bedeutung.  Um die vertiefte Bedeutung freizuschalten, bedarf es jedoch einer emotionalen Entwicklung bzw. einer Kultivierung des Emotionalen. Das ist die emotionale Evolution und sie ist höchst brüchig, weil sie erst gelernt werden muß und dies lebenslang. Betrachten wir zunächst die vertieften Bedeutungen von Freude und Angst und deren menschliches Entfaltungspotenzial.

Die Freude ist potenziell das Belohnungsgefühl, durch das wir genügend locker, leicht und entspannt werden. Mit der Freude können wir ein Lob bzw. eine Wertschätzung empfinden. Es ist nicht nur erforderlich eine Leistung ganz konkret zu sehen sondern man benötigt auch Zugang zur Freude, um damit seinen Wert auch zu spüren. Die wichtigste Frage für jeden Menschen lautet: worin besteht mein Wert, bzw. was macht mich für andere Menschen wertvoll. Nur der, der wirklich wertvoll für andere bzw. die Gruppe ist und dem dies auch deutlich rückgemeldet wird, der kann sich sicher sein, nicht aus der Gruppe ausgestoßen zu werden, was für ein Gruppenlebewesen gleichbedeutend ist mit dem sicheren Tod – zumindest war es das früher.
Die meisten Menschen haben die Freude als Sinnesorgan kaum entwickelt. Das macht sie ruhelos und sie kommen niemals an in der ruhigen Sicherheit, dazuzugehören und wichtig zu sein.
Genauso ist es aber auch mit der Angst als Fürsorge und Sensibilität. Diese Fähigkeiten werden erst in einer Nutzung dieser körperlichen Grundgestimmtheit erlernt. Überhaupt jede Charaktereigenschaft eines Menschen basiert auf entwickelter oder unentwickelter Emotionalität. Diese Erkenntnis, was eigentlich emotionale Entwicklung ist und worin beim Menschen die Evolution der Emotionen besteht, ist von unglaublicher Tragweite für alle Menschen. Diese Erkenntnis erfordert Konsequenzen für alle Menschen weltweit. Jeder Mensch benötigt Förderung in seiner emotionalen Entwicklung und in seinen Bezugsfähigkeiten. Die Religionen als Sozialprojekt sind überholt. Als Beleg der Schlagkraft des neuen Verstehens will ich nun auch noch in weitere Kernfragen unseres Menschseins vorstoßen denn es ist wirklich Aufklärung notwendig.
 
Was ist das Besondere am Menschen? Ist es ein neues „Gefühl“ namens „Liebe“?
 
Das Außergewöhnliche am Menschen sind nicht die Gefühle selbst sondern die Möglichkeit, Gefühle und Gedanken zu teilen und auszutauschen. Die wechselseitige Anteilnahme und Bezugnahme ist die entscheidende Fähigkeit des Menschen, so dass ein unglaublicher Informationsaustausch möglich ist und auch eine gedankliche und eine emotionale Nähe entstehen kann. Wir können in unserem 3D-Theater die Situation eines anderen Menschen sehr naturgetreu nachbauen und dies auch bezogen auf „emotionale Reaktionen“. Die Emotionen sind nichts weiter als bestimmte koordinierte Körperzustände und das betrifft vor allem Muskulatur, Herzschlag und Atmung. Was wir als „Liebe“ und „Hass“ bezeichnen, sind keine emotionalen Grundzustände. Mit der Entschlüsselung der Basisemotionen durch Paul Ekman ist ein Schuss gefallen, tödlich für Hollywood und seine Liebesschnulzen und den Kampf von „gut“ gegen „böse“ und auch tödlich für die Betreiber von Psychopharmaka. Dieser Schuß, mit der die Überhöhung des Menschen endet und auch der Mythos von „guten“ und „schlechten“ Gefühlen, wurde aber bisher nicht gehört, weil niemand die Bedeutung dieser Erkenntnis erfasst und weitergedacht hat.
Der „Hass“ kann definiert werden als Wut, der ganz bewusst die Zügel gelassen werden. Mit „Liebe“ bezeichnen wir eine umfassende Bezugnahme, bei der die sexuelle also körperliche Bezugnahme die einfachste Form ist. Wesentlich anspruchsvoller und intimer ist das Teilen von Gedanken und emotionaler Bewegtheit.
Wenn Serotonin, Adrenalin, Dopamin oder Oxytocin ausgeschüttet werden, so verbinden sich damit grundlegende unterschiedliche körperliche Veränderungen, die eine Gestimmtheit erzeugen, die je nach Situation erforderlich ist. Diese alle in einen Topf zu werfen und zu behaupten das sei alles „Liebe“ (wie jüngst im Magazin „Doctor“ der Zeit), ist schlicht falsch. Zu meinen, der Mensch sei mit einem göttlichen Gefühl ausgestattet, das ihn grundlegend von anderen Lebewesen unterscheidet, ist nicht nur falsch sondern auch gefährlich, da Menschen meinen, wenn sie im Zustand der „Liebe“ seien, würde alles gut. Es ist sinnlos, einem vermeintlichen Gefühlszustand nachzujagen, den niemand erreichen kann, weil es ihn nicht gibt. Wir können uns freuen jemanden zu sehen, traurig sein, wenn er/sie geht, ängstlich werden, wenn die Beziehung in Frage steht und wütend werden, wenn er/sie sich uns entzieht. Das ist das konkrete „Gefühl“ und nichts anderes. Liebes’fähigkeit‘ ist Beziehungsfähigkeit! Die Fähigkeit, gut Bezug zu nehmen summiert alle Fähigkeiten, die ein Mensch entwickeln kann. Ein gewalttätiger uneinfühlsamer Mensch, der sich weder mit einem anderen Menschen freuen kann noch anteilnehmend in der Traurigkeit mitschwingen kann, darf leider ungetadelt davon sprechen, dass er „liebt“. Niemand spricht ihm ab, auch mit einem Stück Göttlichkeit namens „Liebe“ ausgestattet zu sein.  Was dieser „Liebende“ meint, wenn er davon spricht, zu „lieben“, ist vermutlich, dass er sexualisiert ist oder dass er sich nach guter Bezugnahme sehnt. Jeder Mensch ist mehr oder weniger entwickelt in seinen Fähigkeiten der Bezugnahme. Keinem Menschen darf das Potenzial der Weiterentwicklung abgesprochen werden aber die Qualität, wie intelligent, verständnisvoll und einfühlsam ein Mensch auf einen anderen Menschen eingeht, sollte konkret erfasst werden und das ist auch möglich. Das Etikett der „Liebe“ ist leider eine hohle Phrase.

Unter guten Förderbedingungen kann ein Mensch eine sehr genaue Selbstwahrnehmung entwickeln und sich von dem ausgehend auch erschließen, wie ein anderer Mensch gerade empfindet. Eine deutliche Mimik unterstützt das immens. Durch die menschliche Mimik bekommt die bei Säugetieren bereits angelegte Grundausstattung von Wut, Angst, Freude und Traurigkeit eine zusätzliche kommunikative Bedeutung. Da Menschen durch die Selbstwahrnehmung in der Lage sind, ihre eigene körperliche Bewegtheit zu erfassen, können sie ihren eigenen Zustand von Wut oder Angst ganz gezielt und bewusst mimisch sichtbarer machen. Noch mehr als das – die körperliche Bewegtheit kann von uns Menschen richtiggehend begleitet werden. Die Wut oder auch die Freude können unterdrückt oder ganz bewusst gesteigert werden. Durch die Vergrößerung von Freude, Traurigkeit, Wut und Angst, steigen aber nicht nur die Potenziale der jeweiligen Emotion sondern auch deren Gefahren. Vor allem bei der gefährlichsten der vier Bewegtheiten – der Wut – war und ist es deshalb für den erfolgreichen Aufstieg der Spezies Mensch entscheidend, dass es ausreichend gute prosoziale emotionale „Gegenspieler“ gibt. Es verwundert nicht, dass es wiederum eine mimische Reaktion ist, die die Härte auch wieder zum Erweichen bringen kann. Es ist das Weinen. Die Tränenreaktion gibt es in dieser Form nur beim Menschen. Die Tränen sollen berühren, zur Zuwendung einladen und Härte und Egoismus besänftigen. Wer die Traurigkeit und die Tränen aus Überzeugungsgründen ablehnt, wird sich jedoch davon nicht berühren lassen. Es ist fatal, wenn Härte und Kälte nicht durch Tränen erweicht und erwärmt werden können, denn so regieren Distanz, Unnahbarkeit und Egoismus. Alle Männer seien gewarnt, Tränen abzulehnen und damit die Einladung zur Nähe zu verspielen und auch die Möglichkeit zu verpassen, den Grund der Tränen zu ergründen und das ist das Brauchen.
Die traurige Bewegtheit ist noch viel mehr als ein notwendiger Gegenspieler zur Wut. Sie lädt ein zu Bedächtigkeit, Langsamkeit und zu Ernsthaftigkeit und Innerlichkeit. Die Traurigkeit schafft damit Entschleunigung und Entkrampfung, so wie auch die Freude. Die Traurigkeit betont die Bedürftigkeit. Die gegenseitige Unterstützung und die Wahrnehmung der Bedürfnisse, ist die Grundlage aller Beziehungen und damit die Überlebensvoraussetzung jeder Gemeinschaft. Es gilt also zu ergründen, welches Bedürfnis mit der so fühligen Traurigkeit und Berührtheit angezeigt wird. So gesehen kann man sagen, dass Traurigkeit und Tränen für die Menschwerdung genauso wichtig waren und sind wie die Freude, die als Belohnungs- und Wertgefühl für Ruhe und Regeneration sorgt.
Tatsächlich sind Freude und Traurigkeit sehr dicht beieinander und können sogar als Geschwister gesehen werden. Sie bilden einen weniger starken Kontrast wie z.B. Freude und Angst. Das nachfolgende Emotionsmodell sortiert die Emotionen entsprechend der größten Kontraste und auch der Nebenkontraste. Es ist das Atommodell der Psyche, das bisher (!) unglaublicherweise nicht erkannt wurde. 
Es ist das alles verändernde Emotionsmodell (nach B.Flügel), das die Kontraste und Zusammenhänge der grundlegenden Körperzustände darstellt.
 

Das alles verändernde Emotionsmodell, das die Kontraste und Zusammenhänge der grundlegenden Körperzustände darstellt.

Die Emotionen stehen in einem kontrastierenden Verhältnis, das jeder Mensch kennen sollte, um vor allem die Bewertung abzulegen, Gefühle seien etwas Negatives.
Unsere Ausstattung als Säugetiere ist perfekt, es gilt aber die Emotionen zu kultivieren damit sich jeder Mensch zu einem freudig-leichten, einem bedächtig-schweren, einem ängstlich-sensiblen und zu einem robust-wütenden Wesen entwickeln kann.
Bitte denkt mit anderen zusammen nach und gebt die Aufklärung weiter! Lest das Buch „Die Ent-Negativierung des Menschen“.

Wenn die Schweine auch noch weinen könnten, so würde unsere verständiger Freund des obigen Videos auch noch mit ihnen weinen.

 

 

 

 

Gut gegen Böse – Darth Vader gegen Jesus – Hass gegen Liebe – IS gegen alle

Er tobt wieder, der Kampf von Gut gegen Böse in der neusten Star Wars Episode. Es ist das alte Thema von Hass und Liebe.
Der Mythos des „Bösen“ ist vermutlich so alt wie die Menschheit.
Nun ist es allerdings so, dass die angeblichen Grundgefühlszustände von Liebe und Hass in der modernen Emotionsforschung keinerlei Rolle mehr spielen. „Liebe“ und „Hass“ sind lediglich Umschreibungen, die Menschen wählen, während der tatsächliche körperliche Gefühlszustand eine sogenannte Basisemotion ist. Die entscheidenden verhaltensbestimmenden körperlichen Zustände sind Wut, Angst, Freude und Traurigkeit.
Wer ist nun also „böse“ bzw. was ist das?
Ist der Wütende „böse“?
Han Solos Sohn schlüpft in der neuesten Starwarsepisode in die Maske von Darth Vader, seinem Großvater. Bei Misserfolg zertrümmert er die Einrichtung des Todessterns und er streckt seinen eigenen Vater nieder, scheinbar ohne jedes Mitgefühl. Er wird von der Wut bewegt und er lässt seiner Wut freien Lauf, weil er meint, dies sei aus bestimmten Gründen notwendig.
Die Wut selbst, als körperlicher Zustand, ist nicht negativ. Dieser Zustand besteht in angespannten Muskeln und einer aufgerichteten Körperhaltung. Wie man diese Kraft anwendet, ist das Entscheidende und das hängt davon ab, wie wir selbst als bewusste, nachdenkende und uns selbst wahrnehmende Wesen unseren Körper steuern. Die Wutausbrüche von Han Solos Sohn sind ungesteuert und richten sich auf alles was in die Quere kommt. Auch die Angehörigen der Terrormiliz IS lassen ihrer Wut freien Lauf, weil sie der Überzeugung sind, dass es die „Mächte des Bösen“ in Gestalt des unmoralischen ungläubigen Westens sind, die es zu bekämpfen gilt und gegen die es erlaubt ist, ihrer Wut in Form tatkräftiger Aggression freien Lauf zu lassen.
Neben der emotionalen Bewegtheit von Wut, Angst, Freude und Traurigkeit gibt es noch die Beweggründe. Wenn nun also die Bewegtheit selbst nicht an sich „böse“ ist, so ist zu fragen, ob es die Beweggründe sind. Die Beweggründe der IS-Kämpfer beruhen auf der vereinfachenden Sicht von Gut und Böse und der Kampf ist für sie das legitime Mittel.  Von einem Martin Luther King oder einem Jesus, die die Gewaltfreiheit lebten und predigten, haben diese Kämpfer vermutlich noch nie etwas gehört. Wenn man seiner Wut freien Lauf lässt, führt dies zu Grenzüberschreitung, Abwertung, Schwarz-Weiß-Denken und übertriebener Härte. Der „Hass“ der IS-Kämpfer ist nichts anderes wie Wut, der die Zügel gelassen werden. Hass ist also Wut + Überzeugung. Eine Religion oder auch eine Erziehung sollte eine Kultivierung des Emotionalen beinhalten. Wenn dies von einer Religion nicht geleistet wird, so versagt diese an der entscheidenden Stelle.
Die Religionen selbst sind es, die von alters her zwischen gut und böse unterscheiden. Es wird als eine ethische Weiterentwicklung des Menschen betrachtet, dass er in der Lage sei, gut und schlecht zu erkennen, um dann zwischen diesen beiden wählen zu können.
Die Unterteilung in „gut“ und „böse“ und auch die Unterteilung der Emotionen in gut und schlecht ist aber selbst das Übel, für dessen Heilung es sich erkoren hat. Ist die Traurigkeit ein negativer schmerzvoller Zustand? Nein! Die Traurigkeit besteht in muskulärer Erschlaffung und wir werden bedächtig, langsam, weich und schwer. Wir strahlen Bedürftigkeit aus und sollten Zuwendung, Nähe und Zusammenhalt erfahren. Aus dem Kummer sollte ein Kümmern erwachsen. Ist die Angst ein Übel an sich? Nein!!, denn sie ist der körperliche Zustand, der die Voraussetzung von Sensibilität, Fürsorge, Vorsicht und Achtsamkeit ist. Die Angst ist der Ausgangspunkt auch zu Übervorsicht, Überfürsorge, Übersensibilität, Verschlossenheit, Unbeweglichkeit aber deswegen ist der körperliche Zustand der Angst trotzdem keine Störung sondern es kommt auf den richtigen Umgang damit an. Es gilt, die Potenziale von Wut, Angst, Traurigkeit und Freude zu entfalten und deren Gefahren zu entschärfen – das ist die Kultivierung des Emotionalen. Wenn etwas „gestört“ ist, dann der Umgang mit unseren emotionalen Bewegtheiten. Gibt es das „böse“ in der Justiz?
Böse ist, wer böses tut. Für die Justiz ist das ein klarer Fall. Die Beweggründe von Menschen werden von Juristen genauso wenig betrachtet, wie einem Juristen die Formen der (emotionalen) Bewegtheit bekannt sind. In den Gerichtssälen in aller Welt sind die Richter Menschen, wie alle anderen und folgen insgeheim der Vorstellung von gut und böse. Wenn ein Richter etwas anderes wäre als ein rein bestrafender Amtsträger und wenn er ein tatsächlicher Vollstrecker des Volkswillens sein möchte, so müsste er den Menschen zumindest den Auftrag geben, ihre Emotionen zu kultivieren und ihre eigenen Beweggründe zu verstehen. Jeder Mensch sollte seine Beweggründe bzw. Bedürfnisse kennen, um sich besser um diese kümmern zu können. Die Beweggründe der Menschen beruhen immer darauf, Gesehen zu werden, Verstanden zu werden, gemocht bzw. wertgeschätzt zu werden, dazuzugehören, Nähe und Distanz im Wechsel zu erfahren und immer genügend an Input bzw. interessanter Information zu erhalten. Viele Menschen sind jedoch in ihrer Bewegtheit unentwickelt, in ihrem Umgang mit dieser Bewegtheit ungebildet und unwissend bezüglich ihres Brauchens. Es ist die emotionale Unentwickeltheit und die Unwissenheit über Brauchen und Fühlen oder auch falsche Überzeugungen, aus denen Gewalt, Abwertung und Unfrieden mit sich selbst und anderen erwachsen.
Noch im Tod, von seinem Sohn niedergestreckt und im Fallen, streichelt Han Solo seinem Sohn trotz dessen maximaler Aggression liebevoll über die Wange. Das ist Sanftheit und Zärtlichkeit, die im Augenblick nichts zu bewirken scheint aber jedem im Gedächtnis bleibt, der das gesehen hat. Diese Geste von Han Solo ist stärker als das Lichtschwert, das seinen Körper durchdringt. Als Jesus von den Soldaten des Königs festgenommen wurde, wollten seine Gefolgsleute gegen die Aggression dieser Festnahme einschreiten und kämpfen. Jesus jedoch hielt sie – so weit es ihm möglich war – von der Gegenaggression ab und ließ sich abführen. Ans Kreuz genagelt sagte Jesus noch: „Vergib Ihnen, denn Sie wissen nicht was sie tun.“ Diese Worte lagen unsichtbar auch auf Han Solos Lippen als sein eigener Sohn in tötet.
Die Übertreibungen von Gut und Böse, Engel und Teufel und auch die Überhöhung von Liebe und Hass haben mit der Natur des Menschen gar nichts zu tun. Diese ganzen Schwarz-Weiß-Malereien sind die überholten Versuche der bisherigen religiösen Ethikwächter, mit denen der Mensch als aggressives Tier irgendwie kultiviert werden soll. Wer den Menschen jedoch wirklich kultivieren will, der muss den Menschen als intelligentes Säugetier in seiner emotionalen Bewegtheit und seinen Beweggründen verstehen. Die Zeit der Religionen als moralische Instanzen hat in entscheidenden Aspekten ausgedient und muss beendet werden, auch wenn dieser Kampf von Gut gegen Böse, von Darth Vader gegen Jesus so immens spannend ist.

 

Mitgefühl statt monologische Reihung

Wie Freund-schaft wirklich „Freude schafft“
Die vier Formen des Mitgefühls – freudiges, trauriges, ängstliches und wütendes Mitschwingen

Die Wortbedeutung des Wortes „Freund-schafft“ kommt sicherlich nicht von ungefähr. Es ist die Freundschaft, die uns die größte Freude verschafft. Damit sich zwei Menschen miteinander wirklich wohl fühlen, bedarf es einer wirklich guten wechselseitigen Zuwendung. Eine wirklich mitfühlende FreundIn hat einen enormen Wert. Mit welcher FreundIn fühlt ihr euch am wohlsten und warum ist das so? Dieser Frage wollen wir heute nachgehen.

Welche Formen des Mit-fühlens gibt es denn eigentlich. Um dies zu erhellen, will ich verschiedene Beispiele anführen.
Jedes der folgenden Beispiele beschreibt, wie Man es nicht so gut macht und wie Frau es besser machen kann.
Anna hat in den letzten Jahren immer nur zeitlich befristete Verträge bekommen. Je älter Anna wird umso belastender erlebt sie diese zeitliche Befristung. Vor zwei Tagen hat sie nun aber ein Angebot für eine Festanstellung bekommen. Sie ist total erleichtert und kann auch wieder besser schlafen. Sie freut sich darauf, dies ihrer besten Freundin Lena zu erzählen und ihre Freude mit dieser zu teilen. Leider hat Lena gar nicht freudig reagiert sondern nur schweigend zugehört. Was ist der Grund dieses Schweigens? Lena ist seit Monaten sehr mit ihrer Beziehung zu Stefan beschäftigt und in einer traurigen, bisweilen auch ängstlichen Stimmung. Ein freudiges Mitschwingen mit Anna ist ihr deshalb heute überhaupt nicht möglich. Lena erzählt Anna – wie schon so oft – davon, wie es ihr mit ihrem Freund geht und wie wenig dieser auf sie eingeht. Anna hört wie immer zu und stellt sich voll auf Lena ein, um ihr bestmöglich zu helfen. Sie hat bereits vergessen, wie sehr sie sich eigentlich freut und dass sie diese Freude mit Lena teilen wollte. Anna versucht Lena zu beschwichtigen, dass Stefan momentan bestimmt nur eine schwere Zeit hat und dann wieder mehr auf sie achtet. Auch wenn Anna scheinbar mitfühlend mit Lena reagiert, ist sie insgeheim genervt, weil es bereits seit einem halben Jahr in den Gesprächen mit Lena immer wieder um die gleichen Probleme mit Stefan geht, die unlösbar erscheinen.

>Wie sähe freudiges Mitschwingen aus?<

Auch wenn Lena momentan nicht nach Freude zumute ist, so wäre es sehr gut, wenn sie sich zumindest um eine Anteilnahme mit Anna bemühen würde. Wenn Lena sich für das Leben von Anna interessieren würde, so wüsste sie, wie wichtig der feste Vertrag für Anna ist.
Leider fällt es uns Menschen sehr schwer, uns von unserer eigenen Befindlichkeit zu lösen und auf die Stimmung eines anderen Menschen einzustellen. Für Psychotherapeutinnen ist das eine tägliche Übung, ihre eigene Befindlichkeit zurückzustellen und ganz auf die Klienten einzugehen. Diese therapeutische Haltung ist aber auch in normalen Freundschaften sehr hilfreich.
In einer guten Freundschaft sollte Zeit sein für die Gefühle beider und dies aber unbedingt nacheinander und nicht gleichzeitig. Sonst entsteht etwas, das man als eine monologische Reihung bezeichnen kann. Jeder erzählt nur seins und keiner geht auf den anderen ein.
Für die Freundschaft von Anna und Lena wäre es sehr wichtig, wenn also zunächst Lena eine Zuwendungsleistung vollbringt und sich durch die Einfühlung in Annas Situation, sich mit dieser tatsächlich ein bisschen mit-freut. Wenn Lena jedoch aufgrund ihrer Lebenssituation überhaupt nicht mehr freudig schwingen kann, so wäre es notwendig, den Zugang zur Freude wiederzugewinnen. Ansonsten ist Lena in keiner ihrer Freundschaften mehr zum freudigen Mit-Fühlen in der Lage.
Leider sind die meisten Menschen nur wenig emotional entwickelt und das heißt z.B. dass sie kaum oder nur oberflächlich freudig bewegt werden. Ein Lächeln bedeutet leider noch lange nicht, dass jemand tatsächlich freudig bewegt ist. Erst wenn ein Mensch sehr guten Zugang zur Freude hat, ist es ihm möglich, sich auch auf eine Ausgelassenheit einzulassen. Eine Freundschaft sollte in erster Linie eines: Freude schaffen. Der Name „Freund-schafft“ sollte Programm sein.

Wie sähe nun das umgekehrte Eingehen von Anna gegenüber Lena idealerweise aus?
Da Lena eher traurig ist, käme es hier auf ein trauriges Mitfühlen an.
Anna könnte zu Lena sagen: „Ich sehe wie traurig Du bist. [Pause] Du hast allen Grund dazu, wenn ich bedenke, was Du schon alles von Deiner Beziehung erzählt hast. [Pause] Ich kann Deine Sehnsucht nach einer einfühlsamen Bezugnahme sehr gut nachvollziehen. Ich würde Dich jetzt gerne einmal in den Arm nehmen. [Umarmung]. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du Dich selbst in Deinen Tränen und Deiner Traurigkeit mögen kannst. [Pause]. Ich danke Dir für Deine Offenheit. [Pause]. Danke auch, dass ich Dir in Deiner Traurigkeit nahe kommen darf.“
Wer redet so? Vermutlich niemand – aber vielen würde diese Anteilnahme gut tun. Es gibt allerdings leider auch sehr viele Menschen, die sich mit einer solchen Zuwendung unwohl fühlen, unter anderem deshalb, weil sie damit keine Erfahrung haben.
Wenn Lena dieses traurige Mit-Fühlen von Anna wirklich an sich heranlassen könnte, so würden damit ihre Bedürfnisse nach Nähe, Gesehen-Werden und Wert-schätzung ein bisschen erfüllt. Sie wäre dadurch nicht mehr so dringend darauf angewiesen, dass diese Bedürfnisse von ihrem Freund erfüllt werden. Die Anteilnahme durch ein trauriges Mitschwingen schafft die größte emotionale Nähe zwischen Menschen. Das ist deshalb so, weil die Traurigkeit das Brauchen betont und eine Zuwendung zu diesem Brauchen einen Teil der Bedürftigkeit stillen kann, so z.B. den Wunsch nach Nähe und Verstanden-Werden. Nichts lässt einen traurigen Menschen mehr bei sich ankommen und auch Frieden finden als die Haltung, dass er dies sein darf.

Welche weiteren beiden Formen des Mit-Gefühls gibt es nun noch? Es gibt noch zwei weitere ganzkörperliche Bewegtheiten, die unbedingt unser Verständnis und unser Wohlwollen erfordern.
Betrachten wir uns dazu die momentan schlechte Bezugnahme zwischen Lena und ihrem Freund Stefan an einem Beispiel.
Stefan kommt von der Arbeit nach Hause und ist mal wieder genervt. Seine Unzufriedenheit liegt in der Situation am Arbeitsplatz begründet. Lena empfindet die Wut von Stefan jedoch als gegen sie gerichtet. Tatsächlich ist Stefan häufig pampig in seinen Bemerkungen. Er ist so mit sich selbst beschäftigt, dass er kaum auf Lena eingeht und wenn er es doch tut, so ist er kaum einfühlsam. Lena lässt sich regelmäßig von der Wut Stefans anstecken und reagiert mit einer nahezu automatischen Gegenwut. Ein Wort gibt das andere und ein Streit ist vorprogrammiert.
Was wäre, wenn Lena der Gereiztheit ihres Freundes mit Verständnis begegnet?
Lena könnte in etwa Folgendes sagen: „Hey Stefan, Du bist ganz schön geladen [ohne Bewertung, in ruhigem Ton]. Bestimmt bist Du wegen der Situation in der Arbeit so unter Strom. Erzähl mir davon. [Bereitschaft, sich auf seine Seite zu stellen]. [Nach einiger Zeit, in der Stefan sich auskotzen konnte] Lass uns nun überlegen, was Du dort verändern kannst – mit der Kraft Deiner Wut [Wertschätzung der Wut].“
Nichts beruhigt einen wütenden Menschen mehr, als wenn ihn jemand verständnisvoll und wohlwollend wahrnimmt, den Grund seiner Kampfeslust tatsächlich versteht und sich auf seine Seite stellt um mit ihm auf einer Seite zu stehen. Wenn Lena gemeinsam mit Stefan wütend wäre, z.B. gegenüber einer unfairen und abwertenden Behandlung am Arbeitsplatz, so würde das eine Nähe zwischen den beiden erzeugen. Wenn Lena die Wut Stefans grundsätzlich ablehnt, weil sie Wut „nicht schön“ findet, so ist sie nicht zu einem wütenden Mit-Gefühl in der Lage. Ihre Wut ist eine Gegenwut und ein Gegen-Gefühl statt ein Mit-Gefühl zu sein.
Ein „Mit-Gefühl“ bezeichnet immer das Mit-Fühlen mit einem Menschen in einem „Gefühl“, das tatsächlich in einem körperlichen Zustand besteht. Als vierte und letzte ganzkörperliche Bewegtheit, die eine Mit-Bewegtheit – ein Mit-Gefühl – ermöglicht und erfordert, fehlt nun noch. Es ist die Angst. Nehmen wir erneut die Bezugnahme zwischen Stefan und Lena als Beispiel, wie ein Mit-Fühlen sein kann und wie es nicht sein sollte.
Diesmal tauchen wir noch mehr ein in die Komplexität der Bezugnahme und in die Gefühlswelt zwischen Mann und Frau.
Lena hat Angst, dass Stefan sich körperlich auf eine andere Frau einlassen könnte. Sie sieht die körperliche Bezugnahme und ihre eigene körperliche Attraktivität als das einzige Mittel an, um einen Mann – Stefan – an sich zu binden und seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Da jedoch Stefans körperliches Interesse an ihr nachgelassen hat, denkt sie, dass es ja leicht sein könne, dass eine der vielen Frauen, von denen sie meint, dass diese hübscher seien als sie, das Interesse von Stefan wecken. Lena ist die meiste Zeit ihres Lebens nur noch ängstlich. Sie kommt nur noch schwer zur Ruhe, schläft schlecht und ist schreckhafter geworden. Aus ihrem körperlichen Zustand der Angst heraus, sieht Lena mehr Gefahren, wie z.B. attraktive und dadurch beziehungsgefährdende Frauen. Sie hat mittlerweile auch mehr Angst vor Dingen, die ihr früher allenfalls unangenehm waren, wie z.B. U-Bahnfahren. Sie hat begonnen, das Handy ihres Freundes zu kontrollieren. Stefan kann die Angst von Lena nun gar nicht verstehen, da er aus seiner Sicht alles tut, was er meint, dass es ein guter Partner tun sollte. Er macht gelegentlich Geschenke, trifft keine anderen Frauen, macht hin und wieder Komplimente und hört manchmal sogar zu. Auch wenn er tödlich gelangweilt ist, ringt er sich immer wieder zu einem zustimmenden Grunzen durch. Aus seiner Sicht macht er also alles bestens. Wieso hat sie denn Angst und kontrolliert ihn, da er doch genügend Beziehungssignale gibt. Er hat so gar keine Angst um sie – wieso hat sie dann Angst um die Beziehung? Das ist ihm rätselhaft und er lehnt deshalb ihre Angst ab und ist der Meinung, dass dies wohl krankhaft sein müsse.
Wie würde sich Stefan richtig und ängstlich mitfühlend verhalten? Um die Angst Lenas zu verstehen, bräuchte Stefan eine tiefergehende Vorstellung davon, wie gute Bezugnahme aussehen kann. Erst mit einer wirklich mit-fühlenden und auch guten gedanklichen Bezugnahme, die über ein zustimmendes Grunzen weit hinausgehen sollte, würde es zu einer spürbaren gedanklichen und emotionalen Nähe zwischen Lena und Stefan kommen. Erst eine solche Nähe kann eine Beziehungssicherheit und vor allem Beziehungsfreude erzeugen. Dadurch würde die Angst von Lena auf das notwendige Minimum zusammenschrumpfen. Damit Stefan ängstlich mit Lena mitfühlen könnte, müsste er den ängstlichen Zustand kennen und auch wissen, wie beängstigend eine unsichere Bezugnahme ist. Das kann man aber erst wissen, wenn man eine Vorstellung davon hat, wie gute Bezugnahme überhaupt aussieht. Stefan müsste in etwa Folgendes sagen, um ein ängstliches Mit-gefühl zu signalisieren: „Liebe Lena, du bist beunruhigt, weil Du nicht genug Beziehungssignale von mir siehst. Du bist deswegen aufgeregt, kannst nicht mehr so gut schlafen und siehst überall Gefahren durch andere Frauen. Auch wenn ich meine, dass Du keine Angst zu haben bräuchtes, will ich versuchen, Dir mehr Beziehungssignale zu geben, damit Du zur Ruhe kommen kannst und unsere Beziehung nicht mehr gefährdet siehst. Ich will versuchen, Dir Deinen Wert für mich vor Augen zu führen.“
Jede Leserin weiß, dass es nahezu unrealistisch ist, dass jemand so spricht. Es wäre aber sehr gut, wenn jeder Mensch ein solches emotionales Verständnis hätte, um entsprechend mit-fühlend sein zu können.
Bisher gibt es keine allgemein akzeptierte Definition des „Wertes“ eines Menschen, so wie auch die „Würde“ des Menschen (per Grundgesetz) zwar jedem zusteht aber nicht genauer definiert ist.  In aller Kürze soll nun am Ende der Ausführungen zumindest eine kleine Arbeitsdefinition des menschlichen Wertes stehen. Der „Wert“ eines Menschen ist eine subjektive Bewertung durch einen Beziehungspartner und diese gründet darauf, wie gut dieser seine Gedanken und Gefühle teilt.
Jedes „Mit-Fühlen“ und damit teilen von Emotionen erfordert zum Einen ein Verstehen, was Freude, Traurigkeit, Wut oder Angst entstehen lässt und zum Anderen die Bereitschaft, in der jeweiligen Bewegtheit mitzuschwingen. Mit einer ablehnenden Haltung wegen einer prinzipiell negativen Sicht auf Traurigkeit, Wut oder Angst, ist das nicht möglich und versperrt den Weg dazu, entsprechend mitzufühlen.
Da Liebe nun darin besteht, sich gedanklich und emotional nah zu sein, ist die negative Sicht auf die Emotionen der Liebeskiller schlechthin.
Was wir Menschen deshalb alle benötigen ist eine Ent-Negativierung der Emotionen.

Pixar Movies – eine Emotionstheorie für die Masse ?

Pixar-Movies – Alles steht (tatsächlich!) Kopf
Der Regisseur des Films Pete Docter hat mit der Unterstützung eines Emotionsforschers in dem Film „Alles steht Kopf“ einige Vorstellungen über das emotionale Funktionieren eines Menschen in den Raum gestellt, die einer eingehenden Auseinandersetzung bedürfen.

Transportiert der Film eine Ent-Negativierung der Traurigkeit und eine erste Emotionstheorie für die breite Masse?
Dieser Film ist als Chance zu sehen, ein besseres emotionales Verstehen der Menschen zu erreichen, die sich diesen Film anschauen. Es gilt nun allerdings zu klären, inwiefern die gewählte Metapher der „emotionalen Stimmen“ im Kopf zutrifft und wo der Vergleich hinkt. Pete Docter gibt an, dass es ihm mit dem Film darum geht, zu verstehen warum seine Tochter mit 11J. begonnen hat – so wie er selbst im damaligen Alter – stiller zu werden und einen Großteil ihrer Lebendigkeit einzubüßen. Die filmische These, dass es die Traurigkeit (im Film als „Kummer“ bezeichnet) ist, die einen Menschen depressiv macht, ist typisch amerikanisch. Das Ende des Filmes jedoch, in dem die Traurigkeit zur Retterin wird und eine große Nähe in der Familie erzeugt, stimmt sehr optimistisch. Der Film weckt die Hoffnung, dass die Traurigkeit nicht weiterhin negativiert wird und es zu einer grandiosen Umbewertung dieser angeblich negativen Emotion kommen kann.
Die Darstellung von 5 Emotionen entspricht weitgehend dem Forschungsstand und es ist auch nicht mehr strittig, dass diese Emotionen zentrale Bedeutung für die Regulation unseres Verhaltens haben. Bei der Spekulation über die Bedeutungen der Emotionen geht der Film über die trockene und unkonkrete Emotionsforschung weit hinaus und das ist überaus erfreulich. Für die Regulation des Zwischenmenschlichen sind Freude und Traurigkeit herausragend wichtig. Nach dem Umzug der Familie versucht vor allem Riley mit Freude die ersten Schwierigkeiten auszubalancieren. Als jedoch die Schwierigkeiten überwiegen, treten die gröberen und älteren Regulatoren Wut und Angst auf den Plan, die uns beschleunigen und anspannen und damit u.a. für Gefahrensituationen (Angst) und für Freiraumgewinn (Wut) bestens geeignet sind. Riley und ihr Vater stoßen mit der Wut zusammen, wie jeder in dem bekannten Trailer zum Film beobachten kann. Der Ekel wurde richtigerweise als fünfte Emotion hinzugefügt, hat jedoch keine so grundlegend wichtige verhaltensaktivierende Bedeutungen wie die anderen vier Bewegtheiten.
Dass eine Emotion im Kopf sitzt, ist richtig und falsch zugleich, denn eine Emotion ist nicht nur im Kopf sondern zugleich eine ganzkörperliche Bewegtheit. Der amerikanische Hirnforscher Antonio Damasio spricht sogar von der Bühne des Körpers, auf dem die Emotionen stattfinden. Zu sagen, eine Emotion sei „im Kopf“ ist aber per se schon recht ungenau, denn es gilt zumindest grob zwischen älteren und neueren Gehirnteilen zu unterscheiden und die Emotionsaktivierung ist definitiv in den älteren Gehirnteilen zu verorten (Amygdala, limbisches System, Thalamus usw.), die wir mit unseren Säugetierverwandten teilen. Bei uns Menschen ist der Neocortex immens vergrößert und bildet damit einen enormen Überbau, der uns dazu in die Lage versetzt, uns selbst wahrzunehmen und über uns selbst zu reflektieren, so dass wir die notwendigerweise etwas schnelleren emotionalen Reaktionen überdenken und regulieren bzw. beeinflussen und modulieren können.
Einen solchen „Mastermind“ gibt es im Film jedoch nicht und der Film betont damit die Macht der Emotionen. Das ist gut so als Kontrast zur bisherigen Verkopftheit der Sicht des Menschen. Der notwendige Kompromiss liegt in einer Wechselwirkung zweier höchst effek-tiver Systeme: Verstand/Denken/Bewusstsein und Gefühl/emotionale Bewegtheit/Körper. Eine sehr geeignete Metapher dies zu veranschaulichen, ist das Bild von einem Reiter-Pferd-Gespann. Der „Reiter“ steht für das Denken und die Überlegtheit, das „Pferd“ für die relativ autonome und doch auch beeinflussbare emotionale Bewegtheit. Zwei getrennte und doch zusammen arbeitende Systeme, die sich wechselseitig beeinflussen. Für den „Reiter“ gibt es im Film lediglich die Metaphern von einem „Gedankenzug“ und einer Kammer des abstrakten Schreckens, die den Emotionen sogar gefährlich wird.
Was gehört alles zum „Pferd“? Das Pferd ist der gesamte Körper und auch die älteren Gehirnteile. Durch das „Pferd“ werden vorstrukturierte Reaktionen mit unterschiedlichen Stoßrichtungen bereitgestellt, damit sich ein Mensch je nach Bedarf genügend klein (Angst), genügend groß (Wut), genügend weich (Traurigkeit), genügend hart (Wut), genügend offen (Freude), genügend verschlossen (Angst), genügend leicht (Freude) oder genügend schwer (Traurigkeit) zeigt und verhält. Die logischen körperlichen Kontraste bilden ein logisches System, das die Grundlage alle Gefühle bildet.
Wir Menschen sind zugleich Reiter und Pferd und es gilt, ein elegantes Gespann zu werden, das im Einklang miteinander agiert. Üblich ist leider, dass Menschen durch die negative Bewertung der emotionalen Bewegtheit gegen ihre eigene Bewegtheit von Wut, Angst und Trau-rigkeit arbeiten und diese in ihren Potenzialen nicht nutzen, so wie das auch für unsere kleine Heldin noch nicht möglich ist.
Emotionen sind also ganzkörperliche Bewegtheiten, die in einer spezifischen Veränderung vor allem von Muskulatur (und dadurch auch Körperhaltung), Herzschlag und Atmung bestehen und uns damit eine grobe Verhaltensrichtung für verschiedene Situationen bereitstellen. In der Wut werden wir angespannt und machen uns groß, um entschlossen für uns einzutreten. Dem elfjähirgen Mädchen Riley ist ein gezielter Einsatz ihrer Wut noch nicht möglich, denn sie pfeffert ihren Schläger beiseite, statt ihre Wut als Kraft gezielt einzusetzen. In der obigen Metapher gesagt, ist die „Reiterin“ Riley noch mit ihrem „Pferd“ mit seiner organismischen Reaktion der Wut überfordert. Erst am Ende des Filmes wird auch die Wut genutzt, indem sie als Feuerflamme eingesetzt wird, um einen Weg freizumachen.
In der Traurigkeit werden wir verlangsamt, weich und schwer. Der Grund für eine tiefere Traurigkeit liegt in einem Mangel in der zwischenmenschlichen Bezugnahme und die Traurigkeit und vor allem die Tränen sind ein klarer Indikator und eine Botschaft für die Gruppe, sich der betroffenen Person zuzuwenden.
Dass im Film das Signal von Riley bei Lehrerin und Mitschülern nicht ankommt, zeigt eine bestürzende Oberflächlichkeit des emotionalen Verstehens und das Misslingen dessen, was die Evolution mit den Tränen eigentlich bereitgestellt hat und bewirken will, nämlich eine mitfühlende Zuwendung. In Amerika ist es üblich, die Freude zu betonen und wir Deutschen werden gerne belacht als griesgrämige Wesen, denen die Mundwinkel herunterhängen. Mit der Dauerfreude kommt Riley im Film jedoch nicht durch und das ist eine erstaunliche Botschaft, die im krassen Widerspruch zu dem steht, was normalerweise aus Amerika herüberschwappt. Danke Pete Docter!
Noch einmal zurück zur Frage, wer nun die Kontrolle auf der Kommandobrücke hat.
Der Film erweckt den Eindruck, als ob die Emotionen immer die Kontrolle haben. Diese Sichtweise ist einerseits sehr gut, weil der Film damit die Potenz der Emotionen betont. Allerdings ist es natürlich so, dass wir Menschen sehr wohl unsere Bewegtheit von Wut, Trau-rigkeit, Freude und Angst wahrnehmen können und es damit eine übergeordnete Instanz gibt und das ist unser Bewusstsein und unser Vermögen alles zu überdenken und zu durchdenken (- der „Reiter“). Im Film sind es die Emotionen selbst, die denken und miteinander diskutie-ren. Das ist filmisch interessant aber natürlich nicht richtig.
Bisher wurde der Mensch eher als rationales Wesen gesehen, der dadurch existent wird, dass er ausgehend von Descartes sagen konnte „Ich denke also bin ich“. Es ist jedoch unser Körper mit seinen Muskeln, den wir über die ganzen Nervenbahnen so gut spüren können und durch den wir uns unmittelbar erleben können. Dadurch können wir potenziell auch sagen „Ich fühle mich und meinen Körper, also bin ich“. Die vier Emotionen bestehen sämtlich in einer kör-perlichen Aktivierung und sind damit nicht nur „im Kopf“. Der muskuläre Zustand von Anspannung und Entspannung, Enge und Weite, hat außerdem einen erheblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und unser Denken, bzw. auf den Verlauf unserer Gedanken. Im Film kommt das in der Weise zum Ausdruck, dass die Traurigkeit in der Lage ist, alle Erinnerungen traurig einzutönen. Durch eine momentane Stimmung werden Vergangenheit und Zukunft anders wahrgenommen und „eingefärbt“, dies ist jedoch nur für den Augenblick so. Richtiger ist es deshalb zu sagen, dass die gesamte aktuelle Wahrnehmung verändert wird, denn einmal emotional verknüpfte Erinnerungen sind sehr stabil.
Die Freude, die Riley in Bezug auf das Eishockey eigentlich hat, ist momentan nicht verfügbar, weil Traurigkeit oder auch Angst der momentan beherrschende Körperzustand ist. Die Emotionen stehen durch ihren kontrastierenden Charakter in einem wechselseitigen Verdrängungsverhältnis. Bezogen auf den gedrückten Zustand von Riley in der Fremde ist zu fragen, ob es nicht vorranging die Angst ist, von der das Mädchen vorübergehend dominiert wird, denn die Angst – und nicht die Traurigkeit! – ist der Zustand, in dem wir verengt werden, uns als hilflos erleben und uns selbst damit keine positive Prognose geben können.
Nun weiter zu dem, was der Film an richtiger Vorstellung transportiert. Am Schaltpult kann immer nur eine Emotion das Sagen haben. Das ist richtig, denn rein körperlich gesehen, kön-nen wir nicht gleichzeitig entspannt sein, wenn wir gerade angespannt sind und umgekehrt. Emotionen folgen deshalb aufeinander und lösen sich darin ab, verhaltensbestimmende Wirkung zu haben.
Welche Emotion vorrangig ist und welche Emotion wie gut verfügbar ist, ist eine Frage der emotionalen Entwicklung. Einen koordinierten Ablauf der Emotionen und eine effektive Nut-zung der Stärken der einzelnen Emotionen sind der elfjährigen Hauptdarstellerin noch nicht möglich und so herrscht entsprechend Chaos. Bei Vater und Mutter werden die Emotionen als gereifte Erwachsene dargestellt. Bei der Mutter erscheint die Traurigkeit sogar sehr weise und verständig und scheint eine maßgebliche Stimme im Parlament der Emotionen zu haben. Mit einem tieferen Verstehen von emotionaler Entwicklung, ist es allerdings keinesfalls so, dass bei einem Erwachsenen alle Emotionen entwickelt und gereift sind.
Schön wärs, wenn das so einfach wäre. Als Psychotherapeut arbeite ich täglich daran, Men-schen bei der Entwicklung ihrer Emotionen zu helfen und vor allem derjenigen Emotion, die am meisten der Entwicklung und Verankerung bedarf. Um im Bild des Filmes zu bleiben, ist es deshalb leider so, dass die Emotionen jedes Menschen sehr unterschiedlich gereift sind. Bisweilen haben sie nicht einmal eine Stimme im Parlament bzw. keinen Zugang zur Kommandobrücke.
Als nach dem Umzug und dem Wegfall von Freunden und dem geliebtem Eishockey die Traurigkeit überwiegt, versucht die Freude vollkommen überdreht die Traurigkeit in ihre Schranken zu weisen. Die Freude wird vom Zuschauer als aufdringlich und plappernd empfunden, denn die Freude erscheint hyperaktiv und richtet dennoch nichts aus. Hier deutet sich eine Wende an, dass die Freude in ihrer Dominanz an ihre Grenzen stößt und zu Unrecht bisher im Film die Regentschaft an sich gerissen hat.
Filmisch wird die Traurigkeit bis hierher sehr negativ dargestellt und zieht viele Lacher auf sich. Sie erscheint gelähmt, dauermüde und ohne jeglichen Antrieb. Dem Zuschauer wird nahegelegt, die Traurigkeit als Depression zu sehen. Dies wäre eine sehr gefährliche und falsche Auslegung des Filmes. Die Traurigkeit ist zwar ein Zustand muskulärer Erschlaffung aber damit wird eine notwendige Entschleunigung, Langsamkeit, Bedächtigkeit, Ernsthaftigkeit und Innerlichkeit ermöglicht. Der Film bekommt eine erstaunlich unamerikanische Wendung, als es die Traurigkeit („Kummer“) ist, die den traurigen alten Fantasiefreund durch Ernsthaf-tigkeit, Verständnis und Innerlichkeit wieder zu sich führt und er damit wieder in Aufbruchstimmung kommt. „Kummer“ ermöglicht also „kümmern“.

Als die elfjährige sich vor die neue Klasse stellt und dort bekennt, dass sie traurig ist und ihre alte Umgebung vermisst und sogar weint, so bleibt sie damit allein. Als Zuschauer möchte man sie gerne in den Arm nehmen und hofft, dass diese wunderbare Offenheit und dieses Signal des Brauchens die Klasse und die Lehrerin berühren. Es ist wirklich schlimm, dass die Lehrerin nicht in der Lage ist, die Elfjährige mit ihrem Gefühl zu bestätigen und eine großartige Nähe herzustellen. Dadurch bleibt das Mädchen allein mit ihrer Traurigkeit und diese Emotion entfaltet damit keine Wirkung. Am Ende des Filmes kommt es jedoch zu dem, was man als Zuschauer an dieser Stelle hat missen müssen. Am Ende kehrt sie zu ihren Eltern zurück, nachdem sie ausbüchsen wollte. Die Eltern können die Traurigkeit ihrer Tochter verstehen und schwingen mit. Dadurch entsteht eine große Nähe und die finale Umarmung.
In diesem Moment kommt es zu einem fließenden Übergang von Traurigkeit zu Freude. Traurigkeit und Freude sind versöhnt und das entspricht einem reifen Miteinander dieser beiden Emotionen, die Geschwister sind. Sie liegen logisch nebeneinander als „Brauchen“ und Erfüllung eines Brauchens. Bei dieser erstaunlichen Wendung vom hässlichen Entlein zu einer goldenen Emotion, verwundert die deutsche Namensgebung der Traurigkeit als „Kummer“, die eine eindeutig abwertende Assoziation erweckt. Sollten die deutschen Übersetzer nicht mitbekommen haben, wohin der Film eigentlich führt?
Der Film leitet eine Umbewertung aller bisherigen Sichtweisen ein, denn keiner der körperlichen Grundzustände ist an sich negativ.
Jeder der Körperzustände Wut, Angst, Traurigkeit und Freude ist die Grundlage von entwickelbaren Fähigkeiten und der Ausgangspunkt von Gefahren.
Jeder Mensch benötigt eine Kultivierung seiner Emotionen.
So verhilft uns der körperliche Zustand der Traurigkeit zu Ernsthaftigkeit, Innerlichkeit, Bedächtigkeit und Nähe, während die Angst die Grundlage von Sorge, Fürsorge, Vorsicht, Achtsamkeit und Sensibilität ist. Die Wut hilft uns zu Entschlossenheit, Grenzziehung, Freiraum und Direktheit und die Freude kann bei entsprechender Verankerung in die goldenen Gewänder von Zufriedenheit, Dankbarkeit, Selbstwertgefühl und Glück schlüpfen.

„Meinungsfreiheit“ – Sind wir wirklich „frei“ in unserer Meinung?

Die Mythen von „Bildung“, Sigmund Freud, Hollywood, Psychiatrie, Pharmaindustrie und Religion
Anlässlich der Frage, was denn unsere Werte und unsere „Leitkultur“ ist, die wir hochhalten und verteidigen müssen, ist die „Meinungsfreiheit“ vermutlich der wichtigste Wert.
So wird das auf jeden Fall von Buchautoren wie Hamed Abdel-Samad oder Salman Rushdie empfunden, wenn sie auf der Buchmesse in Frankfurt nur unter Sicherheitsvorkehrungen das tun konnten, was jeder Menschen können sollte: Seine Gedanken und seine Gefühle auszudrücken.
Nun ist es allerdings so, dass es gar nicht so einfach ist, eine „Meinungs-Freiheit“ zu haben. Der Ausdruck, über etwas „nachdenken“ zu müssen, beschreibt bereits das Dilemma. Meist denken wir allenfalls das „nach“, was andere vor-gedacht haben. Jeder Mensch bewegt sich weitgehend in bestimmten Denkmustern und Denktraditionen. Menschen haben Überzeugungen und verfestigte Sichtweisen. Etwas „Neues“ zu denken oder zumindest seine Perspektive zu wechseln, erfordert bereits eine gewisse Breite des Wissens. Die Flexibilität im Denken basiert auf einer größeren Informationsbasis, was man auf neuronal-kortikaler Ebene als Vernetzungsvielfalt oder komplexe Verschaltung beschreiben könnte. Das Gehirn ist ungeheuer plastisch und der Mensch damit überaus lernfähig. Wenn nun ein Mensch mit Meinungsvielfalt und überhaupt mit Informationsvielfalt aufwächst, so ist zu erwarten, dass ein solcher Mensch auch leichter abweichende Meinungen und Sichtweisen einnehmen kann. So weit so gut, denn das hört sich so an, als ob unsere westliche Welt eine bessere sei.
Sie ahnen richtig, dass nun ein dickes „Aber“ kommt, denn leider gibt es unzählige moralische, religiöse und hollywoodverseuchte Vorstellungen, die uns zu Vorurteilen führen. Ein „Vor-Urteil“ ist ein Urteil „vor“ jedem nachdenken. Alles Denken was dem Vor-Urteil folgt ist verengt, gefangen, unflexibel und unfrei. Damit ist es schon vorbei mit der „Freiheit“ von Meinung und Denken. Betrachten wir doch einmal ein paar typisch westliche Vorannahmen, irrtümliche Denktraditionen und Mythen.
Da ist die Vorstellung von „gut“ und „böse“, die dazu führt, dass wir z.B. auch die Emotionen in positive und negative einteilen und davon ausgehend Traurigkeit, Angst und Wut nicht haben wollen und deshalb auch nicht lernen können mit ihnen umzugehen. Die Angst wird von der Medizin sogar zu einer „Störung“ stilisiert, die man medikamentös austreiben will, obwohl lediglich der Umgang mit der Angst „gestört“ ist. In Wahrheit ist die Angst ein gesamtkörperliches Reaktionsprogramm, das die Grundlage von u.a. Sorge, Fürsorge, Vorsicht und Sensibilität bildet.
Aus der Vorstellung des „Bösen“ und den „Mythen des Sigmund Freud“ resultieren auch die unzähligen Unterstellungen, was angeblich einen Menschen an-„treibt“: Macht und Narzissmus.
Das möchte ich nun klarstellen: „Macht“ wollen Menschen nur, um etwas in ihrem Sinne beeinflussen zu können. Wer der entscheidende Veränderer ist, erntet schließlich auch die Lorbeeren und die Wert-Schätzung. Was ein Mensch dabei gewinnt, ist vor allem ein entspannter Gefühlzustand, den man Freude nennt. Wenn ein Mensch als wertvoll eingeschätzt wird, so sinkt damit die Gefahr, dass er ausgeschlossen wird. Ausschluss aus der Gemeinschaft war über hundertausende von Jahren hinweg gleichbedeutend mit einem Todesurteil und auch heute noch ist die Isolation die größte Bestrafung eines Menschen. Wir Menschen suchen also in Wahrheit den Zustand der Freude, der im Zusammenhang mit einer Wert-schätzung sogar zum umfassenden Selbst-Wert-Freude-Gefühl reifen kann.
Aber allein das „Trieb“-konzept von Freud und seine Botschaft, dass wir Menschen „Getriebene“ seien, ist schon falsch und spottet der menschlichen Fähigkeit, sich selbst z.B. in seiner körperlichen Reaktion „Angst“ wahrzunehmen und dies auch beeinflussen zu können. Ja, sie haben richtig gelesen, körperliche Zustände sind veränderbar durch uns selbst. An sich banal für jeden Menschen, der Entspannungsübungen macht oder meditiert. Dass die emotionalen Bewegtheiten von Freude, Traurigkeit, Wut oder Angst auch veränderbar sind, ist allerdings für die meisten Menschen überraschend. Sogar Eckhart von Hirschhausen stellt überrascht fest und hält es für eine neue Erkenntnis, dass „Glück“ durch Übung erreicht werden kann. Wenn wir einmal den überhöhten Glücksbegriff herunterbrechen auf das was er ist – nämlich der Zustand der Freude, so ist das geradezu banal. Freude ist ein Zustand, in dem die Muskeln locker sind, wir in der Beweglichkeit gut Luft holen können und unsere Wahrnehmung in die Breite geht und auch in die Weite schweifen kann. Alles Parameter, die man üben kann. Wenn die Menschheit sich also bisher als Getriebene ihrer Emotionen betrachtet und nicht einmal weiß, dass Freude, Traurigkeit, Wut und Angst spezifische ganzkörperliche Zustände sind, so gibt es nicht einmal einen Einfluss von Menschen auf sich selbst und ihr Verhalten.
Die meisten Frauen sind ängstlich ohne es zu wissen. Es ist nicht schlimm, dass sie ängstlich sind, aber schlimm wenn sie es nicht wissen und damit nicht umgehen können. Wenn ein Mensch den Einfluss von Angst, Wut, Traurigkeit und Freude auf seine Wahrnehmung nicht kennt, so ist er in der Tat doch leicht ein Getriebener seiner Emotionen. Die wenigsten Menschen und leider auch die wenigsten Psychiater wissen, dass Angst die Wahrnehmung eines Menschen erheblich beeinflusst und Menschen in einem ängstlichen Körperzustand auch mehr Bedrohliches in der Umgebung erkennen. Für die meisten Psychiater ist das paranoid.
Es war und ist evolutionär bedeutsam, in bestimmten Momenten achtsamer zu sein und alle Bedrohlichkeiten zu erfassen, die durch Gerüche, Geräusche und vor allem durch andere Menschen ausgehen. Ein Mensch, der nicht weiß, wie sehr seine Wahrnehmung, sein Denkverlauf und seine Beurteilungen durch Angst, Wut, Freude und Traurigkeit beeinflusst werden, der unterliegt erheblichen Fehleinschätzungen. Es kommt also darauf, einem Menschen beizubringen, dass er z.B. im Zustand der Angst mehr Bedrohliches sieht und auch in seine Umgebung hineininterpretiert und es deshalb nötig ist, seine Beurteilung der Bedrohlichkeit herunterzurechnen. Das ist absolut erlernbar und es ist nicht nötig, z.B. eine Schizophrenie zu diagnostizieren und wegen der paranoiden Wahrnehmung den Menschen selbst für unzurechnungsfähig einzustufen.
Die Denktradition der Psychiatrie ist so gefangen in ihrer Pathologisierung und der folgenden Medikamentisierung von Menschen, dass sie die Normalität und Logik der Wahrnehmungsveränderung durch den emotionalen Zustand nicht erkennt. Ein Medizinstudent hört keine Vorlesungen über Wahrnehmungspsychologie und so kann er auch nichts anderes denken als was ihm vorgedacht und nahegelegt wird.
Um eine Meinungsfreiheit oder eine Beurteilungs“freiheit“ zu haben, wird ein möglichst großes Bewusstsein benötigt aber wer hat das schon. Wir sehen nur das, von dem wir ein Konzept haben.
Wir Deutschen haben offensichtlich eine größere Vorstellung von Vertreibung und Unterdrückung als andere und können entsprechend einfühlsamer mit denen sein, die solches erfahren. Bewusstsein macht einfühlsam.
Seit Jahren wird von allen Politikern gefordert, dass sich etwas „bilden“ soll und dass die „Bildung“ ja so ungeheuer wichtig sei. Fragt sich, was sie damit meinen – was soll sich eigentlich „bilden“?
Sollen Menschen mehr Wissen „bilden“ und anhäufen? Sollen sie die Fähigkeit von Lesen und Schreiben herausbilden?
Was ist denn mit der emotionalen Entwicklung und der Bildung von Beziehungsfähigkeit? Diesbezügliches Wissen wäre gut, doch gibt es in der Schule nicht einmal das Fach „Psychologie“ sondern nur den Sexualkundeunterricht als winzigen Baustein der Biologie. Dabei ist sexuelle Erregung nur eine unspezifische Bewegtheit, in der noch keine Zuwendungsqualität liegt.
Was emotionale Entwicklung ist, darüber besteht bisher nicht einmal ein Konzept.
Warum muss „Beziehungsfähigkeit“ nicht gefördert werden? Weil das göttliche Gefühl der „Liebe“ uns ja angeblich bereits „gut“ macht? Seltsam nur, dass die Hirnforschung bisher die Liebe als körperlichen Zustand nicht gefunden hat. Jeder weiß nun allerdings durch Pete Docters Film „Die Welt steht Kopf“ – nicht etwa durch die psychologischen Fachzeitschriften! – was unsere Grundbewegtheiten sind: Freude, Traurigkeit, Angst und Wut. Jedenfalls nicht Liebe und Haß.
Was ist Beziehungsfähigkeit? Es ist die komplexeste Fähigkeit des Menschen und sie umfasst alle Fähigkeiten des Menschen, emotional und gedanklich mit anderen Menschen anzuknüpfen. Offenheit ist nicht genetisch determiniert sondern das Ergebnis von ganz viel erfolgreicher zwischenmenschlicher Bezugnahme. Kinder müssten darin geschult und gefördert werden, wie sie mit sich selbst und ihren Emotionen umgehen und wie sie die Bewegtheiten von Freude, Traurigkeit, Wut und Angst als Beziehungswerkzeuge nutzen und auch wie sie diese in ihren Gefahren entschärfen. Ohne die Tiefe des Verstehens, was sich eigentlich „bilden“ müßte, sind die Forderungen aller Theoretiker nach „Bildung“ einfach lächerlich, wie es sich auch in den Ergebnissen der Pisastudie zeigt. Deutschland vermehrt sich nicht einmal mehr sondern die Menschen werden zu aussterbenden Singularitäten, weil bisher niemandem beigebracht wird, wie Menschen sich erfolgreich gedanklich und emotional aufeinander beziehen können. Die verbreiteten Meinungen bezüglich der Emotionen sind ein einziges Gruselkabinett für jeden guten Psychotherapeuten: Tränen müssen weggewischt werden, Angst sei eine Krankheit, das Brauchen eine Schwäche, Traurigkeit sei „Schmerz“ und ansonsten schwanken wir ohnehin nur noch zwischen Manie und Depression, wenn man sich die explodierenden Diagnostizierungen anschaut. Es gibt keine Gesundheit mehr, wir müssen alle Pillen schlucken und der Mensch ist grundlegend dabei zu degenerieren, weil Depression ja angeblich eine körperliche Erkrankung ist, so wie auch Angst und Aufmerksamkeitsstörung.
Die milliardenschweren Studien der Pharmaindustrie schaffen eine Krümmung im Raum-Zeit-Gefüge und ein schwarzes Loch, das alle normalen logischen Erklärungen, wie beim Menschen Denken, Fühlen, Brauchen und Wahrnehmen zusammenhängen, verschluckt.
Gottlob haben wir zumindest das Recht auf Meinungsfreiheit aber eine „Freiheit“ der Meinung haben wir noch lange nicht erreicht, weil wir in den seltsamsten Vorstellungen und Denktraditionen festhängen und verengt sind. Diese auszuführen erfordert ein dickes Buch. Ich habe es geschrieben.
Am besten wir sagen das mit der „Meinungsfreiheit“ ganz leise und bescheiden und verweisen darauf, wie beschränkt wir selbst in unserer Sicht sind. Dann laden wir auf diese Weise die Menschen aus anderen „Kulturen“ dazu ein, ihre eigenen Wahrnehmungs- und Denkbeschränktheiten zu erforschen, die zugegebenermaßen eventuell noch größer sind als die unsrigen.

Warum helfen immer mehr Deutsche den Flüchtlingen und was fühlen sie dabei ?

Ist das ein kurzer nationaler Gefühlstaumel, lediglich eine Gefühlsansteckung, echtes Mit-Gefühl oder gar Empathie?

(Und: Was für eine Gefühlskultur haben die Flüchtlinge von uns zu erwarten?)

Die meisten verfolgen es in den Nachrichten und viele belesen sich dazu in Zeitungen, um z.B. zu erfahren, dass Deutschland nun eine „Willkommenskultur“ entwickele. Immer mehr Menschen in Deutschland werden von der Flüchtlingswelle erreicht und müssen sich entscheiden, wie sie sich dazu verhalten. Wie kommt es, dass immer mehr Menschen den Flüchtlingen Nahrung, Spielsachen und überhaupt Verständnis entgegenbringen und manche sogar Obdach geben.
Deutschland ist ein Land der Meinungsfreiheit mit einer mittlerweile guten journalistischen Tradition möglichst alles zu berichten was in der Welt passiert. Dadurch sind immer mehr Menschen besser informiert über Katastrophen und menschliche Schicksale. Es ist diese Informiertheit über das Geschehen in Syrien und die Flüchtlingssituation, die es vielen Deutschen ermöglicht, für diese Menschen Verständnis zu haben. Das Hintergrundwissen öffnet auch die Herzen bzw. die Bereitschaft zum Mitgefühl und zur tatkräftigen Hilfe.
Da in der Presse momentan viel darüber spekuliert wird, ob das nun eine vorübergehende kollektive Gefühlsansteckung des Helfens sei oder eine längerfristige neue Willkommenskultur entstehe, ist es erforderlich, aus psychologischer Sicht einmal zu präzisieren, was der Unterschied zwischen Gefühlsansteckung, Mitgefühl und Empathie ist.
Schon Babys werden von anderen schreienden Babys „angesteckt“ ohne zu erfassen, warum diese Schreien. Genauso die erste Lächelreaktion eines 6 Wochen alten Säuglings ist deshalb eine „einfache“ Reaktion auf eine lächelnde Bezugsperson, weil der Säugling noch nicht die Hintergründe kennt, warum nun gelächelt wird. Eine „Gefühlsansteckung“ ist die einfachste Gefühlsreaktion, die auch schon bei Tieren zu beobachten ist, die sich gegenseitig mit ihrer Angst anstecken. Das hat unmittelbare Überlebensbedeutung. Eine Gefühlsansteckung passiert auch ohne Überdachtheit oder Überlegung. Im Falle der syrischen Flüchtlinge besteht aber bei vielen Deutschen bereits ein Bewusstsein für die dramatischen Gründe und Umstände von deren Flucht. Dadurch reagieren die Menschen nicht nur auf einen armen Flüchtling sondern auf einen armen Flüchtling mit außerdem dramatischen Vorerfahrungen. Diese Information kommt hinzu und so werden wir nicht einfach von dem eventuell traurigen Gefühl dieser Menschen einfach nur angesteckt sondern man kann von Mit-Gefühl und sogar von Emphatie sprechen. Ein Mit-„Gefühl“ beruht neben dem emotionalen Anteil einer körperlichen Bewegtheit außerdem auf einem Wissensanteil und damit einem Vorstellungsanteil, durch den wir uns außerdem in die Perspektive der anderen Person versetzen können. Wir können uns also vorstellen und ausmalen, was diese Flüchtlinge erlebt haben könnten und sie sind eindeutiges Opfer der Brutalität anderer. Auf diese Vorstellung und dieses Wissen – was wir erst durch unsere Informiertheit besitzen – sattelt nun unser emotionales Mitschwingen. Das emotionale Mitschwingen erfordert eine Bereitschaft, der jeweiligen Emotion auch Raum zu geben. Da es nur vier grundlegende körperliche Bewegtheiten gibt, die im Sprachgebrauch als „Emotionen“ bezeichnet werden, können wir der Wut, der Angst, der Traurigkeit oder der Freude eines Gegenübers folgen. Dass wir Mitschwingen setzt voraus, dass wir der jeweiligen Bewegtheit eine Berechtigung zusprechen und dass wir außerdem zu einer entsprechenden emotionalen Bewegtheit überhaupt in der Lage sind. Wenn wir z.B. Wut, Traurigkeit oder Angst an sich ablehnen, so werden wir den Menschen mit der entsprechenden Emotion von vornherein ablehnend begegnen und etwa sagen: „Reg Dich doch nicht so auf“, „Du musst doch nicht ängstlich sein“ oder „Ist doch nicht so schlimm“. Wenn wir selbst gerade in einer eher gereizten Verfassung sind, so wird es auch sehr schwierig, sich mit einem anderen Menschen zu freuen. Die Fähigkeit zur emotionalen Resonanz ist allenfalls als Potenzial angelegt. Inwiefern wir auch mitschwingen hängt von unserer Schwingungsfähigkeit ab und dies erfordert im Grunde vier Schwingungsarten. Leider ist der Mainstream unserer Zeit, zwischen positiven und negativen Gefühlen zu unterscheiden, obwohl es nur vier grundlegende Emotionen gibt, die jede für sich genommen überragende Bedeutungen hat. Wenn ein Mensch aus einer Wut heraus aggressiv wird, so liegt das an der Unbedachtheit des jeweiligen Menschen. An sich sind wir Menschen zu überdachten Reaktionen in der Lage und können unser emotionale Bewegtheit nutzen und bei Bedarf auch entschärfen. Die Wut kann von uns Menschen zu Entschlossenheit und Direktheit kultiviert werden und Menschen lassen sich aber auch unbedacht von der Wut dazu treiben, herumzuschreien und andere Menschen abzuwerten. Umso mehr ein Mensch über Emotionen weiß und je mehr wir über die Flüchtlinge wissen, umso größer wird die Fähigkeit, empathisch zu sein. Wir Menschen können also sehr primitiv gefühlsangesteckt werden, wie das z.B. durch die Hassreden von Hitler geschah und alle in gemeinsamer Wut zusammengeführt wurden oder wir Verstehen und „Sehen“ andere Menschen möglichst hintergründig und haben außerdem eine kritische aber auch entnegativierte Sicht von Wut, Traurigkeit, Angst und Freude. Keine der vier Emotionen ist negativ denn es kommt darauf an, wie wir damit umgehen. In kultivierter Form wird die körperliche Gestimmtheit der Angst zu Sorge, Fürsorge, Sensibilität, Vorsicht und Achtsamkeit. Die Traurigkeit betont unser Brauchen und kann uns durch den körperlichen Zustand von muskulärer Erschlaffung zu Bedächtigkeit, Langsamkeit, Weichheit, Innerlichkeit und Ernsthaftigkeit führen. Wenn die Flüchtlinge von uns Deutschen etwas lernen sollen, so ist es erforderlich, dass wir ihnen ein tieferes emotionales Verstehen ermöglichen und Ihnen nicht das anbieten, was wir fatalerweise vor allem von Amerika annehmen und das ist eine Negativierung von Traurigkeit, Wut und Angst. Wenn wir auch diese Menschen dazu anleiten, was wir selbst immer stärker tun, nämlich das Fühlen in positiv und negativ zu unterscheiden, so werden wir diese Menschen mit dem infizieren, was uns selbst in zunehmender Agonie gefangenhält: der Kampf gegen unsere ureigenste emotionale Ausstattung. Wir Menschen sind an sich perfekt durch unsere Emotionen ausgerüstet um bei Bedarf genügend groß (Wut) oder genügend klein (Angst) zu sein, genügend robust (Wut) oder empfindlich (Angst), bei Bedarf genügend weit und offen (Freude) oder genügend verengt und verschlossen (Angst), bei Bedarf genügend leicht (Freude) oder schwer (Traurigkeit) zu sein. Wenn wir selbst es nicht schaffen, unsere geniale Ausstattung in ihrem Potenzial zu entfalten oder in ihren Gefahren zu entschärfen, so dürfen wir diesen Flüchtlingen kein Vorbild sein. Als Volk der Dichter und Denker haben wir an sich traditionell eine Sympathie mit der Traurigkeit, die auch als Melancholie oder Trauer gewandet erscheint. Immerhin von diesem traurigen Mitfühlen scheint noch viel in Deutschland da zu sein. Darauf können wir stolz sein, wie auch auf unsere Informiertheit, unsere Weltzugewandtheit als Reisebürger und auch auf unsere journalistische Erforschungshaltung. Wenn jedoch nicht damit aufgehört wird, bei jeder Gelegenheit Traurigkeit als Schmerz zu bezeichnen und nur noch darüber zu lamentieren, wie sehr „verletzt“ wir seien oder wie „weh“ etwas tue, so wird durch diese negativen und ungenauen Beschreibungen des körperlichen Zustandes die Bereitschaft, z.B. eine Traurigkeit auch zu spüren, immer geringer. Ein entsprechend trauriges Mit-fühlen dürfte dann auch immer mehr verschwinden. Wenn wir diese Flüchtlinge mit unserer unseligen Unterscheidung von positiven und negativen Gefühlen infizieren, so werden auch diese sehr bald beginnen, Angst, Wut und Traurigkeit nicht mehr haben zu wollen und gegen diese ankämpfen, notfalls mit Psychopharmaka. Die Folgen davon sind dann auch zunehmende „psychische Störungen“ in dieser Bevölkerungsgruppe denn die „Psyche“ des Menschen sind eben jene Emotionen und natürlich auch noch sein Denk- und Wahrnehmungsvermögen, was ein Mensch niemals gegen sich selbst wenden sollte. Schluss mit der Negativierung des Fühlens! Her mit einem tieferen emotionalen Verstehen, einer emotionalen Kultivierung und einem darauf gründenden Mit-fühlen in allen vier Formen der Bewegtheit.
Wenn wir einem weinenden Flüchtlingskind begegnen oder wenn eine ganze Gruppe von Menschen „Deutschland“ skandiert, so berührt uns das unmittelbar. Wir möchten das Kind in den Arm nehmen und die rufende Gruppe nicht enttäuschen und deren Hoffnung in Freude umwandeln. Wir sind freudig und traurig bewegt und wir möchten die Helden eines Märchens sein.
Ein Kind ist immer der Inbegriff von Wachstumsmöglichkeit und damit Hoffnung. Das Land des „Kindergarden’s“ kann da nicht wegschauen, genauso wenig wie das Land, das sagt, dass „Bildung“ aller möglich ist und auch mit diesen Menschen etwas Neues „Gebildet“ werden kann. Die Menschen, die „Deutschland“ rufen, scheinen hoffnungsvoll, entschlossen und offen zu sein und das weckt auch bei den Deutschen die Hoffnung auf gute und herzliche Begegnung. Es darf gehofft werden, dass es dem folgend eine tatsächliche Integration dieser Menschen gibt und keine weitere Parallelgesellschaft. Diese Menschen dürften von ihrem politischen System und durch den Terror des Islamistischen Staates ziemlich desillussioniert sein und dadurch offen für Neues. Ist die Haltung diesen Menschen gegenüber jetzt nur eine kurzfristige Gefühlsansteckung, emotionalisiert durch kurzfristige Bilder? Nein, es kann mindestens von einem Mit-Gefühl gesprochen werden, weil die Deutschen genügend Vorerfahrung mit Vertreibung, Ausgrenzung und Unterdrückung haben. Eine tatsächlich mit-fühlende Zuwendung gründet sich auf eigene Erfahrungen und ein breiteres Wissen und diese Zuwendung wird morgen nicht schon wieder vorbei sein. Eine kurzfristige Gefühlsansteckung läge darin, „Mit-Leid“ mit einem angespülten Kind zu haben und dann reflexhaft aufzuheulen und ein paar Lippenbekenntnisse abzugeben.

Warum Medikamente bei Angststörungen eine Fehlbehandlung sind

Jede Vermeidung von Angst verstärkt die Negativierung und den Kampf gegen diesen körperlichen Grundzustand

Zunächst muss man sagen, dass der Begriff „Angststörung“ irreführend ist. Die Angst selbst ist eine der vier körperlichen/emotionalen Grundbewegtheiten mit immenser Bedeutung und deshalb sollte man besser von einer Gestörtheit im Umgang mit diesem Zustand sprechen. Besser noch ist es, von einer ängstlichen Unentwickeltheit zu sprechen.
Der Körper wird in der ängstlichen Bewegtheit zu einem feineren Messfühler und macht den Menschen sensibler und dadurch vorsichtiger und achtsamer nach außen. Sorge, Fürsorge und Achtsamkeit sind die kultivierten Formen der Angst, für die der körperliche Zustand der Angst die Voraussetzung bildet. Wenn ein Mensch jedoch nicht gelernt hat, die Angst in ihrer körperlichen Form wahrzunehmen und auch kein Vorbild dafür hatte, wie die Angst auch in ihrer kultivierten Form aussieht, der ist schnell mit der körperlichen Erscheinung der Angst überfordert. Deshalb kann man sagen, dass die Angst in ihrer Entwicklung gestört worden ist, bzw. einem Mensch nicht beigebracht wurde, den ängstlichen Körperzustand gelassen wahrnehmen zu können, das Potenzial der Angst zu entfalten und deren Gefahren zu entschärfen. Die Gefahr der Ängstigung/Verengung liegt darin, dass die Anspannung zur Verkrampfung und Lähmung wird, dass die Verengung zur Verschlossenheit wird, dass nicht mehr nachgedacht werden kann und dass die Angst die körperlichen Zustände von Freude und Wut vollkommen ausschließt (->Depression). Ein Mensch, der seinen eigenen körperlichen Zustand der Angst nicht kennt, diesen Zustand als negativ bewertet und dann dagegen ankämpft, landet zwangsläufig in einem Kampf gegen sich selbst. Wenn man gegen die Angst ankämpft, so erzeugt man aber zwangsläufig mehr von der Angst (Panik genannt), da sich ein Überlebensgefühl nicht unterdrücken lässt und sich mit aller Macht äußern will. Die Schlüsselkompetenz im Umgang mit jeder Emotion ist die sehr konkrete Selbstwahrnehmung von Muskelzustand, Herzschlag und Atmung. Jede negative Bewertung von Anspannung und Beschleunigung führen dahin, diese nicht haben zu wollen und dagegen zu kämpfen. Wenn man also mit der Angst ins Reine kommen will, ist es erforderlich, jede Ablehnung und Vermeidung dieses Zustandes abzulegen. Die Gabe von Medikamenten, die die Angst unterdrücken sollen, beruhen auf ebendieser falschen Haltung, diese Emotion zu bekämpfen und abzulehnen. Die Verschreibung von Medikamenten und die tägliche Einnahme derselben sind nichts anderes wie eine Vermeidung der Angst. Dies führt dazu, dass ein Mensch weder lernt, die Angst für sich zu nutzen noch deren Gefahren zu entschärfen. Medikamente leiten im Gegenteil dazu an, sich selbst lieber nicht wahrzunehmen. Außerdem suggeriert die Einnahme des Medikaments jedem Angstpatienten eine weitere fatale Botschaft, nämlich dass es notwendig sei, den Angstzustand abzuschwächen. Menschen, die ihren eigenen ängstlichen Körperzustand als bedrohlich ansehen, glauben zumeist, dass das Ausmass der Angst keine Grenzen kennt. Das ist natürlich falsch aber diese Meinung wird durch die Medikamenteneinnahme noch weiter verfestigt und genährt. Je länger ein Mensch angstsenkende Mittel einnimmt umso mehr verfestigt sich sein Glaube, dass er sich der Angst nicht mehr ohne Medikament stellen kann. Die Pharmaindustrie hat gewonnen.
Nun gibt es noch zwei weitere verbreitete ärztliche Fehlmeinungen, was eine erfolgreiche Angstbehandlung sei. Erste Fehlmeinung: Erfolgreich müsse eine Behandlung sein, wenn jemand das wieder tue, was er sich einmal nicht mehr traute. Die Bewältigung einer Situation, wie z.B. einen Fahrstuhl zu betreten, ist vom Handlungsablauf jedoch keine große Leistung. Die eigentliche Bewältigung besteht darin, mit seinem eigenen körperlichen Zustand umgehen zu können. Eine Pille einzuwerfen, um seine Emotion auszuschalten und dann einen Fahrstuhl zu betreten, ist keine Leistung und kein erfolgreicher Umgang mit der Angst. Viele Ärzte wie auch psychoanalytisch orientierte Psychologen haben außerdem die Meinung, jede „Angst“ habe als Hintergrund eine traumatische Erfahrung in der Kindheit zum Ausgangspunkt. Das ist Unsinn. (siehe dazu auch den blog „Wachsen am Trauma“) Was ist jedoch richtig?
Die Angst ist eine höchst bedeutsame und grundlegende körperliche Bewegtheit, ohne die ein Mensch zu einem völlig unsozialen Wesen wird. Angst wird immer dann zum Problem, wenn ein Mensch in seinem Umgang mit der Angst und einer entsprechenden Selbstwahrnehmung nicht gefördert wurde. Ein Mensch, der gelernt hat seine Angst wahrzunehmen, zu nutzen und mit ihr wohlwollend umzugehen, der wird auch in der Lage sein, mit ängstigenden Lebensereignissen besser umzugehen, weil er sich mit dem entscheidenden Teil einer Bedrohlichkeit bereits gut auskennt, nämlich der eigenen ängstlichen Bewegtheit.
Es werden von Forschern immer realistischere Konfrontationsübungen ausgedacht, um Angstpatienten mit z.B. Ängsten vor Menschenmengen besser konfrontieren zu können. Das ist ziemlich lächerlich, weil die entscheidende Konfrontation die Konfrontation mit dem eigenen körperlichen Zustand ist.
Solange ein Mensch noch eine negative Bewertung seiner ängstlichen Bewegtheit z.B. in Form von Anspannung und Unruhe vornimmt, wird er dagegen ankämpfen. Anspannung und Unruhe sind notwendige Kategorien unserer körperlichen Befindlichkeit und nicht negativ.
Die negative Bewertung von körperlichen Zuständen ist selbst die Ursache aller Probleme und hält sich aber für deren Lösung und für eine Weiterentwicklung des Menschen.

Schluss mit der Inflation des Fühlens

Schluss mit der Inflation des Fühlens
Schon seit Jahrhunderten wird behauptet, der Homo Sapiens (die Gattung Mensch) sei zu besonderen Gefühlen in der Lage. Als Krone der Schöpfung sei der Mensch ja sogar zu dem Gefühl in der Lage, das uns nahezu göttlich macht: der Liebe. Es wird weltweit geglaubt, dass ein Mensch, der zu diesem Gefühl in der Lage sei auch ein guter Mensch sein müsse und unter diesem Gefühl nur noch zu guten Taten bewegt würde. Wenn ein Mann z.B. behauptet, seine Frau oder seine Kinder zu „lieben“, so wird als wahrscheinlich angenommen, dass er sich auch gut auf diese beziehe. Jemand, der sagt, er würde „lieben“ muss ja auf jeden Fall in Richtung des „Guten“ bewegt sein, so die allgemeine Auffassung. Wenn dieser gleiche Mann jedoch seine Frau abwertet und sein Kind schlägt, so erzeugt das große Verwunderung. Wenn ein Mann einer Frau sagt, „er liebe sie“, so sind die meisten Frauen sehr lange bereit, die schlechteste Bezugnahme hinzunehmen.
Was ist jedoch, wenn dieses göttliche Gefühl gar nicht existiert? Was ist, wenn wir Menschen einfach nur denkende Säugetiere sind, die durch die außerordentliche Kapazität des Neokortex zu Vorstellungsfähigkeit und Selbstwahrnehmung in der Lage sind?
Wenn wir „nur“ denkende Säugetiere sind, die in der Lage sind, sich über ihre Vorstellungen auszutauschen und die es vermögen, ihren körperlichen Zustand wahrzunehmen und sich darüber gegenseitig Rückmeldungen zu geben, so wäre vieles einfacher. Warum? Weil Liebe klar definiert werden könnte als zwischenmenschliche Bezugnahme auf drei Ebenen: gedanklich, emotional und körperlich.
Jedem wird es auffallen, dass hier das ominöse Wörtchen „emotional“ gefallen ist und in diesem Wörtchen könnte ja das Gefühl der Liebe mit drinstecken. Der inflationäre Gebrauch des Wörtchens „emotional“ kann jedoch nicht mehr darüber wegtäuschen, dass es grundlegende körperliche Gefühlszustände gibt. Was ist, wenn es unsere Muskeln sogar nur erlauben, angespannt oder entspannt zu sein und unser Körper insgesamt nur aufgerichtet oder zusammengesunken sein kann? Dann müssten wir uns davon verabschieden, göttliche Wesen zu sein.
Die Sache wird jedoch noch brisanter. Es wird ja behauptet, das Gefühl der Liebe erzeuge eine Bindung und der Mensch sei ein monogames Wesen wie z.B. auch der Spatz. Was ist jedoch, wenn wir vor allem informationsverarbeitende Wesen sind und als Spezies erfolgreich, weil wir besonders gut untereinander Informationen austauschen können? Was ist, wenn das, was wir als „Liebe“ benennen eigentlich nur in besonders gutem Austausch von Informationen besteht? Monogamie wäre unsinnig, denn sie würde uns an dem hindern, was uns ausmacht: Informationsaustausch auf gedanklicher, „emotionaler“ und körperlicher Ebene und dies möglichst intensiv und möglichst häufig.
Was können wir nun aber wirklich fühlen? An dieser Stelle muss ich als Emotionsforscher und Psychotherapeut ein Geheimnis lüften: Es gibt nur vier grundlegende körperliche Bewegtheiten: zwei, die uns beschleunigen und entweder groß oder klein, mutig oder vorsichtig machen: Wut und Angst und zwei, mit denen wir zwischenmenschlich zum Ausdruck bringen, dass uns etwas fehlt oder das etwas erfüllt wird: Traurigkeit und Freude. Während die beiden säugetiergeschichtlich alten, groben und überlebensrelevanten Emotionen Wut und Angst uns verengen, fokussieren und „stressen“, werden wir von den beiden neuen und feineren Emotionen Freude und Traurigkeit eher entschleunigt und geweitet und zu Bedächtigkeit und Offenheit geführt, also auch zu besserer Informationsverarbeitung.
Natürlich gibt es neben Wut, Angst, Freude und Traurigkeit auch noch sexuelle Erregung, Hunger, Müdigkeit und Schmerz. Das wars aber auch schon. Der Gebrauch des Wortes „Fühlen“ ist schon lange inflationär, weswegen ja auch von einem „Ge-fühle“ gesprochen wird, also einem unüberschaubaren Rumgefühle. Menschen „fühlen“ sich ja sogar getäuscht oder überrumpelt. Dabei liegt jeder unserer Beschreibungen, jedem unserer „Gefühle“ eine der vier grundlegenden ganzkörperlichen Bewegtheiten Freude, Angst, Wut oder Freude zugrunde. Ärger, Zorn, Gereiztheit, Empörung, Sturheit usw. sind z.B. nur kontextbedingte Bezeichnungen ein und desselben körperlichen Zustandes: der Wut.
Menschen sollte sich niemals von dem abhalten lassen, was die größte Freude bringt bzw. bei dem wir auf allen Ebenen unseres Seins angesprochen werden: der zwischenmenschlichen Bezugnahme. Es ist unsinnig, Menschen die größtmögliche Offenheit im Gefühls-, Gedanken-, und Körperaustausch zu verbieten.
Aber nun zu einer noch viel größeren Brisanz: Wenn wir also auf vier mögliche Arten ganzkörperlich bewegt werden, was ist dann mit dem Mit-Gefühl? Dann ist ja Mit-Gefühl kein eigenes Gefühl sondern es gäbe ja nur ein Mit-Fühlen als ängstliches, trauriges, freudiges oder wütendes Mit-Fühlen. Wenn nun also die ganze bisherige Bindungsforschung und die vielen schlauen Aufsätze über unser Menschsein noch gar nicht beachtet haben, dass es nur diese vier Formen des Mitfühlens geben kann, so müssen ja die Aussagen, die alle Menschen bisher über das Mit-Gefühl gemacht, sehr ungenau und oberflächlich gewesen sein. Wenn nun außerdem noch drei der vier grundlegenden Bewegtheiten als negativ angesehen werden, so schließt es sich sogar aus, dass Menschen miteinander mit-fühlend umgehen, weil sie das entsprechende Gefühl eines Gegenübers (Wut, Angst, Traurigkeit) gar nicht haben wollen.
Nun komme ich zur unglaublichsten Brisanz. Die negative Bewertung von den drei grundlegenden Bewegtheiten Angst, Traurigkeit und Wut führt seit Jahrzehnten dazu, dass Menschen gegen ihre eigenen Gefühle und die ihrer Mitmenschen kämpfen. Dieser Kampf des Menschen gegen sich selbst, ist der Grund für jede emotionale Nichtentwicklung und in der Folge die Ursache aller psychischen Störungen. Mit der Kenntnis der Emotionen eröffnet sich ein Verstehen, was emotionale Entwicklung ist und worin emotionale Unentwickeltheit besteht: in einer Unfähigkeit, mit seinen Emotionen umzugehen. Dieses Unvermögen besteht konkret darin, die Emotionen in ihrem Potenzial nicht zur Entfaltung bringen zu können und in ihren Gefahren nicht entschärfen zu können. Das Potenzial der körperlichen Bewegtheit Wut ist z.B. Entschlossenheit, Direktheit, Kraft und Deutlichkeit und die Gefahren der Wut sind u.a. Gewalt, Übertreibung, Schwarz-Weiß-Denken, Abwertung und Egoismus. Die körperliche Aktivierung der Wut an sich ist nicht negativ oder positiv, es kommt darauf, was man mit dieser Muskelkraft macht. Es ist also eine Kultivierung des Emotionalen erforderlich, die es bisher nicht gab und nicht geben konnte, weil die Menschheit in zunehmender Agonie durch ihre unselige Bewertung von „gut“ und „schlecht“ verblendet und gefangen war und außerdem ein scheinbar unüberschaubares „Gefühle“ zu existieren schien.

Am Trauma wachsen ?

Warum scheinen manche Menschen an traumatischen Erlebnissen zu wachsen während andere Menschen in tiefe Krisen kommen?
Die Antwort auf diese Frage ist mit dem Verständnis von emotionaler Entwicklung nicht mehr schwer. Wenn ein Mensch in seiner Kindheit und seinem bisherigen Erwachsenenleben nicht lernen konnte, mit Angst umzugehen, so ist er nicht dafür vorbereitet, mit einem stark beängstigenden Erlebnis umzugehen. Jedes traumatische Erleben besteht immer aus einer Erfahrung von Hilflosigkeit und Angst und hat einen thematischen Aspekt (z.B. Gewalterfahrung, Beziehungsfrustration, Lebensbedrohung usw .). Das Bewältigen der Angst selbst ist der wichtigste Teil der Bewältigung. Wenn sich ein Mensch mit dem Erleben der Angst nicht auskennt, so ist für ihn z.B. die Erinnerung an einen Unfall deshalb so schlimm, weil er/sie nicht gelernt hat, mit den körperlichen Symptomen der Angst umzugehen, also mit Erstarren, schnellem Herzschlag, Wahrnehmungseinengung, Denkblockade, Schwindel usw.. Die Bewältigung von Angst erfordert außerdem eine gute Verfügbarkeit des kontrastierenden Gefühls zur Angst, der Freude und auch eine gute Verfügbarkeit der aktivierenden und robustmachenden Wut ist hilfreich. Je besser ein Mensch also emotional entwickelt ist – und es gibt ja nur vier grundlegende emotionale Bewegtheiten, die der Entwicklung bedürfen – umso besser ist er auf ein schlimmes Erlebnis vorbereitet.
Bisher gab es kein Konzept von emotionaler Entwicklung und dies ist deshalb so, weil bisher niemand die grundlegenden Emotionen definiert und genauer angeschaut hat. Erst mit der Ent-Negativierung der Emotionen Angst, Wut, Traurigkeit und Freude wird das ganze Potenzial der Emotionen sichtbar. Für den diesbezüglich kenntnislosen Forscher ist es natürlich ein unerklärliches Phänomen, warum manche Menschen Krisen und traumatische Erlebnisse wegstecken. Wenn man jedoch weiß, dass jeder Mensch ab Anbeginn seines Lebens eine emotionale Entwicklung durchmacht, die der Förderung bedarf, so ist die Antwort sehr einfach. Jeder Mensch, der in einer der Emotionen Freude, Traurigkeit, Angst und Wut nur wenig Förderung erfahren hat, hat dort eine Unentwickeltheit, die krisenhaft werden kann und dies spätestens dann wird, wenn eine Lebensbelastung auftritt.
„Resilienz“ als scheinbar neuer Faktor ist nichts anderes wie emotionale Entwicklung. Emotionale Unentwickeltheit ist der Ausgangspunkt psychischer Störungen. Anders gesagt, eine psychische Störung ist im Grund eine Gestörtheit der emotionalen Entwicklung.

Salutogenese

Salutogenese durch emotionale Entwicklung und grundlegende Ent-Negativierung

Salutogenese als Gesundheitsentwicklung legt den notwendigen Fokus auf die Entwicklung des Menschen und grenzt sich damit vom bisherigen Bild einer Krankheitsentwicklung ab. Um sich entwickeln zu können, ist jedoch ein Konzept von Entwicklung notwendig. Die WHO benennt das körperliche und psychische Wohlbefinden als das Ziel der Gesundheitsentwicklung. Diese Ausrichtung verbindet sich damit, zwischen Lust und Unlust zu unterscheiden. Auf dem Unlustpol werden seit Jahrzehnten Traurigkeit, Angst und auch Wut verortet. Das hat dazu geführt, dass Menschen gegen sich selbst kämpfen. Damit ein Mensch vollständig und damit heil werden kann, ist es erforderlich, dass er sein gesamtes emotionales Potenzial zur Entwicklung bringt und lernt, die Gefahren durch die Emotionen zu entschärfen. Die vollständige emotionale Entwicklung versetzt einen Menschen in die Lage, erfolgreich auf andere Menschen Bezug zu nehmen und auch den Erfordernissen des Lebens begegnen zu können. Durch die Emotionen können wir je nach Erfordernis genügend groß, klein, hart, weich, leicht, schwer, weit, eng, offen, verschlossen usw. sein. Die Anspannung stellt eine Kraft zur Verfügung, die Unruhe versetzt uns körperlich und gedanklich in eine notwendige Bewegtheit. Die Bewertung der menschlichen Befindlichkeit als gut oder schlecht, als Wohlbefinden oder als Schmerz, ist die Ursache allen Übels, da sie nicht zu einem hilfreichen Umgang mit der emotionalen Bewegtheit führt. Um vollständig werden zu können, muss erst einmal die bisherige Sicht des Menschen erweitert und damit ent-negativiert werden. Auch Achtsamkeit und Akzeptanz sind nicht umsetzbar, solange der Mensch in seiner emotionalen Bewegtheit und auch in seinen Beweggründen nicht grundlegend verstanden wird.
Ich rufe hiermit das Zeitalter der Salutogenese aus. Alle bisherigen Neuerungen waren nur die Vorboten.
Dafür ist es erforderlich, die bisherigen Bewertungen in gut/schlecht, positiv/negativ, lustvoll/schmerhaft zu verlassen, um nach emotionaler Vollständigkeit zu streben. Erst durch alle vier Formen des Mitgefühls entfaltet sich das volle Potenzial emotionaler und gedanklicher Nähe. Die bisherige negativierte Sicht des Menschen ist nicht allein die Vorstellung der Pathogenese gewesen, wie sie in den bisherigen Diagnosen zum Ausdruck kommt. Auch die negative Bewertung von Emotionen bzw. Gefühlszuständen hat zu einer Nicht-Entwicklung des Menschen beigetragen. Jedes Defizit kann man besser als Nicht-Entwickeltheit beschreiben. Alle bisherigen psychischen Diagnosen sind leere Worthülsen. Depression z.B. ist emotionale Unbewegtheit, bedingt durch Beziehungslosigkeit oder durch das Vorherrschen der Angst. Das Vorherrschen von Angst beruht wiederum auf einer emotionalen Imbalance und einem gestörten Umgang mit der Angst selbst. Eine ausführlichere Sicht auf alle bisherigen Diagnosen und eine verstehende neue Diagnostik wird im Buch „Die Ent-Negativierung des Menschen“ entwickelt.