Warum scheinen manche Menschen an traumatischen Erlebnissen zu wachsen während andere Menschen in tiefe Krisen kommen?
Die Antwort auf diese Frage ist mit dem Verständnis von emotionaler Entwicklung nicht mehr schwer. Wenn ein Mensch in seiner Kindheit und seinem bisherigen Erwachsenenleben nicht lernen konnte, mit Angst umzugehen, so ist er nicht dafür vorbereitet, mit einem stark beängstigenden Erlebnis umzugehen. Jedes traumatische Erleben besteht immer aus einer Erfahrung von Hilflosigkeit und Angst und hat einen thematischen Aspekt (z.B. Gewalterfahrung, Beziehungsfrustration, Lebensbedrohung usw .). Das Bewältigen der Angst selbst ist der wichtigste Teil der Bewältigung. Wenn sich ein Mensch mit dem Erleben der Angst nicht auskennt, so ist für ihn z.B. die Erinnerung an einen Unfall deshalb so schlimm, weil er/sie nicht gelernt hat, mit den körperlichen Symptomen der Angst umzugehen, also mit Erstarren, schnellem Herzschlag, Wahrnehmungseinengung, Denkblockade, Schwindel usw.. Die Bewältigung von Angst erfordert außerdem eine gute Verfügbarkeit des kontrastierenden Gefühls zur Angst, der Freude und auch eine gute Verfügbarkeit der aktivierenden und robustmachenden Wut ist hilfreich. Je besser ein Mensch also emotional entwickelt ist – und es gibt ja nur vier grundlegende emotionale Bewegtheiten, die der Entwicklung bedürfen – umso besser ist er auf ein schlimmes Erlebnis vorbereitet.
Bisher gab es kein Konzept von emotionaler Entwicklung und dies ist deshalb so, weil bisher niemand die grundlegenden Emotionen definiert und genauer angeschaut hat. Erst mit der Ent-Negativierung der Emotionen Angst, Wut, Traurigkeit und Freude wird das ganze Potenzial der Emotionen sichtbar. Für den diesbezüglich kenntnislosen Forscher ist es natürlich ein unerklärliches Phänomen, warum manche Menschen Krisen und traumatische Erlebnisse wegstecken. Wenn man jedoch weiß, dass jeder Mensch ab Anbeginn seines Lebens eine emotionale Entwicklung durchmacht, die der Förderung bedarf, so ist die Antwort sehr einfach. Jeder Mensch, der in einer der Emotionen Freude, Traurigkeit, Angst und Wut nur wenig Förderung erfahren hat, hat dort eine Unentwickeltheit, die krisenhaft werden kann und dies spätestens dann wird, wenn eine Lebensbelastung auftritt.
„Resilienz“ als scheinbar neuer Faktor ist nichts anderes wie emotionale Entwicklung. Emotionale Unentwickeltheit ist der Ausgangspunkt psychischer Störungen. Anders gesagt, eine psychische Störung ist im Grund eine Gestörtheit der emotionalen Entwicklung.