Psyche - Psychische Gesundheit

Bewusstsein und Freiheit

Bewusstsein

Was ist das? Das menschliche Bewusstsein seiner selbst besteht darin, sich seines Denkens, seines Fühlens und seines Brauchens bewusst zu sein. Wir können sagen: „Ich denke, das bin ich als mein Verstand”, „ich fühle, das bin ich als mein Körper”. Wir erleben uns in der Zeit und können durch unsere Fähigkeit der Erinnerung eine fortlaufende, zusammenhängende Geschichte von uns erzählen. Diese Geschichte steht in einem bedeutungsvollen Zusammenhang mit anderen Menschen, die wir zur Erweiterung unserer Systemleistung benötigen, und mit denen wir in einem beständigen, möglichst tiefgreifenden, intensiven Austausch von Gedanken und Gefühlen stehen.

Wie entsteht dieses Bewusstsein unserer selbst? Dass wir überhaupt sagen können „ich” denke und „ich” fühle, entsteht dadurch, dass in unserem Gehirn sehr viele Informationen repräsentiert und verfügbar sind und außerdem miteinander verknüpft werden. Die alles integrierende und verknüpfende Systemleistung ist die Wahrnehmung. Der Hintergrund und die Voraussetzung unserer  Einordnung von Situationen und jeglicher Form von Eindrücken unserer Umgebung basiert auf der Summe dessen, was wir bereits an Informationen gesammelt haben. „Informationen” sind nichts steriles oder kaltes, sondern sind bei uns Menschen immer auch mit einer körperlichen Empfindung verbunden, und diese bewegt sich in den vier emotionalen Kategorien. Unsere Wahrnehmung basiert also auf  unserem Gedächtnis, und dieses besteht in der Gesamtheit aller neuronalen Verknüpfungen und hormonellen Ausschüttungsbereitschaften, also allem, was schon gelernt wurde. Somit ist unsere Wahrnehmung der eigentliche Träger unseres Bewusstseins. Wahrnehmung ist immer aktuell, „jetzt” und umfasst und integriert alle verfügbaren Informationen. Mit dem Abbau der Systemleistung des Gehirns im Alter nimmt auch die Klarheit des Bewusstseins leider wieder ab. Räumliche und zeitliche Orientierung sind dabei nur zwei Beispiele vieler Fähigkeiten, zu denen uns unsere Wahrnehmung verhilft.

Freiheit 

Freiheit liegt darin, Wahlmöglichkeiten zu haben – zwischen verschiedenen Gedanken, verschiedenen körperlichen Zuständen und auch zwischen unterschiedlichen Verhaltensweisen, die aber erst einmal verfügbar sein müssen. Man kann zwischen einer Freiheit des Fühlens und einer Freiheit des Denkens unterscheiden. Die Freiheit des Denkens liegt darin, den Lauf unserer Gedanken beeinflussen zu können, und davon ausgehend ergibt sich auch die Möglichkeit unterschiedlichen Verhaltens. Die Freiheit des Fühlens besteht darin, unseren körperlichen Zustand und damit unser Fühlen beeinflussen zu können.

Wir können unsere Gefühle beeinflussen, indem wir uns etwas vorstellen, das unsere Freude, Traurigkeit, Angst oder Wut erregt. Unser Fühlen ist jedoch noch viel direkter beeinflussbar, weil die Emotionen in einem körperlichen Zustand bestehen, den wir wiederum selbst beeinflussen können. In dem Moment, in dem wir uns entspannen, durchatmen, uns aufrichten und unsere Wahrnehmung weiten, verändert sich unser körperlicher Zustand in Richtung des gesamtkörperlichen Profils der Freude – auch ohne dass es einen speziellen Anlass zur Freude gäbe. Eine Freiheit des Fühlens liegt darin, seinen eigenen Gefühlszustand wahrnehmen und verändern zu können. Ganz besonders frei sind wir dann, wenn wir unseren Zustand nicht negativ bewerten und deshalb auch nicht gegen uns selbst und unseren Zustand ankämpfen müssen. Die größte Unfreiheit besteht darin, gegen etwas ankämpfen zu müssen, was aber unsere Natur ist und womit wir ausgestattet sind. Erst in der Entfaltung unserer Traurigkeit als Langsamkeit, Bedächtigkeit und Innerlichkeit werden wir frei, dieses auch sein zu können. Erst in der bewussten Offenheit, auch für den Zustand der Angst, werden wir die in Beziehungen notwendige Unsicherheit, Dünnhäutigkeit, Vorsicht, Sorge und Fürsorge entwickeln können. Erst, wenn wir die Wut nicht mehr negativ sehen, können wir sie für uns nutzen, als Entschlossenheit, Deutlichkeit und notwendige Abgrenzung. Erst mit dem Zugang zur Freude können wir unseren Wert auch spüren und besitzen die notwendige Empfindung, durch die jede gute zwischenmenschliche Bezugnahme belohnt wird. Der Zugang zu allen vier Emotionen schafft die Möglichkeit, dass diese in einer Balance zueinander stehen und sich gegenseitig relativieren. Dadurch entsteht ein Gleichgewicht, das eine emotionale Flexibilität ermöglicht. Emotional flexibel zu sein bedeutet z. B., den Zugang zur Freude nicht zu verlieren, auch wenn man Grund zur Traurigkeit hat, oder z. B., von seiner Wut abzulassen, weil man auch weiß, wie sich Freude anfühlt, und zu wissen, dass es auch Grund zu derselben gibt.